Viele wünschen sich eine längere Auszeit vom Job/ Doch nur wenige bekommen die Chance
„Das ist ein echter Gewinn an Lebensqualität“, erinnert sich Klaus Schacht. „Moskau, China, Bali, Indien – davon profitiere ich heute noch!“ Wer den Geschichten des Berliner Oberstudienrats lauscht, kann nur neidisch werden. Vor einigen Jahren hatte der 55-Jährige eine einjährige Auszeit eingelegt und die Welt bereist. Mit seiner Erdumrundung ist Schacht eine Ausnahme unter deutschen Beschäftigten. Denn nur wenige Betriebe gewähren längere, bezahlte Jobpausen mit garantiertem Wiedereinstieg.
Im Sabbatjahr, auch „Sabbatical“ genannt, nehmen Beschäftigte ganz bewusst eine Pause vom Beruf. In der Regel dauert die Auszeit drei bis zwölf Monate. Das Prinzip ist simpel: Zuerst sammeln die Angestellten Überstunden, Urlaubstage oder Lohnteile auf Zeitkonten an. Später bekommen sie dafür bezahlte Freizeit.
Dem Job für eine Weile den Rücken kehren, davon träumen 38 Prozent der Angestellten in Deutschland. Das hat eine Forsa-Umfrage ergeben. Für viele bleibt es jedoch bei der Wunschvorstellung. Zwar bieten zwei Drittel der Unternehmen flexible Arbeitszeiten an. Doch nur drei Prozent der Betriebe offerieren Lebensarbeitszeitkonten, die längere Sabbaticals möglich machen. Das zeigt eine Veröffentlichung des Instituts für Wirtschaftsforschung (IW) in Köln.
Gesetzlich festgelegt sind die Freistellungsjahre nicht. Auch in Tarifverträgen sind sie relativ selten zu finden. „In der Eisen- und Stahl-Industrie existieren solche Regelungen“, so Rheinhard Bispink, Tarifexperte bei der Hans-Böckler Stiftung, „aber flächendeckend ist das nicht der Fall.“ So ist es nicht verwunderlich, dass die Betriebe ganz unterschiedliche Formen des Sparens für die Jobpause anbieten.
Beim Sensorenhersteller Sick zum Beispiel, der seinen Stammsitz in Waldkirch im Breisgau hat, können Mitarbeiter angesparte Gleitzeit in Geld umwandeln. „Das Geld wird in einem Fonds angelegt und später in Form von Lohn ausgezahlt“, sagt Personalleiter Rudolf Kast. Bis zu zwei Jahre können Angestellte bei Sick so anhäufen. „60 Prozent unserer Belegschaft spart auf die vorruhestandsnahe Freistellung“, so Kast. Die anderen 40 Prozent sparten auf kürzere Auszeiten von drei bis sechs Monaten. „Häufig werden die kürzeren Pausen für die Pflege von Angehörigen, private Weiterbildung oder für die klassische Welt- und Bildungsreise genutzt.“
Eine vorzeitige Rente und kürze Pausen sind also bevorzugte Ziele der Mitarbeiter bei Sick. Diese Realität deckt sich auch mit der Einschätzung von Markus Promberger vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berudsforschung (IAB) in Nürnberg. „Das klassische Sabbatjahr mit Weltumrundung ist keine Lösung für die Masse“, erklärt der Arbeitspsychologe, „der Mensch braucht ein Strukturierungsmoment.“ Die Angst davor, dieses zu verlieren, halte Berufstätige davon ab, eine längere Auszeit zu nehmen.
Wie unterschiedlich die Handhabung des Freistellungsjahres ist, zeigt sich auch im öffentlichen Dienst. Einige Lehrer, wie der Berliner Klaus Schacht, profitieren vom Sabbatical – andere nicht. Denn die Regelung obliegt den Ländern. Baden-Württemberg etwa, zeigt sich flexibel. „Lehrer können zum Beispiel zwei Jahre arbeiten und bekommen dabei zwei Drittel ihres Gehalts“, erläutert Carina Olnhoff, Pressesprecherin des Kultusministeriums des Landes, das System. „Im dritten Jahr nehmen sie dann die Auszeit – wiederum mit Zwei-Drittel-Bezahlung.“ Bis zu einer Sieben-Achtel-Rechnung kann das Modell ausgeweitet werden.
Längere Berufspausen bergen sowohl Chancen als auch Risiken für die, die sie in Anspruch nehmen. Einerseits steigern sie die Motivation und tragen zur Entspannung bei. Arbeitnehmer bleiben dadurch länger fit und somit auch länger im Unternehmen. Andererseits droht der Karriereknick. „Während einer Auszeit riskiert man, sich von Informationszusammenhängen und Netzwerken abzukoppeln“, so IAB-Arbeitssoziologe Promberger. Wer auf Weltreise sei, und nicht ständig mit der Firma Kontakt halte, erfahre nichts über den neu eingesetzten Chef oder veränderte Erwartungshaltungen im Unternehmen. „Das kann im Zweifelsfall den Job kosten.“
Den Job gekostet hat seine Weltreise Oberstudienrat Schacht nicht. Dennoch war er reichlich überrascht, als er nach einem Jahr zurück in die Heimat kam. „Ich musste die Schule wechseln – das war ein Schock“, erzählt er. Den einzigen Austausch, den der Berliner mit seiner Schule hatte, waren Briefe an seinen damaligen Leistungskurs. So konnte Schacht nicht wissen, dass an der Schule inzwischen die Lehrerarbeitszeit erhöht worden und für ihn an der Einrichtung kein Platz mehr war. Um von solch bösen Überraschungen verschont zu bleiben, empfiehlt IAB-Experte Promberger: „Während einer längeren Pause sollte man auf jeden Fall mit den Kollegen Kontakt halten – auch wenn es den Freizeitwert schmälert.“