Junge Seelen nicht überfordern

Eigentlich sollten Schüler in den Ferien die Seele baumeln lassen. Doch viele nutzen die Freizeit und verdienen sich ein paar Euro dazu. Ob das sinnvoll ist, weiß die Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche Christiane Lutz.

Kunstmann: Frau Lutz, ist es eigentlich gut, wenn Kinder Jobs annehmen?

Christiane Lutz: Wenn Kinder arbeiten haben, sie die Chance selbständiger zu werden. Sie lernen Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen und erleben das gute Gefühl von Eigenständigkeit und eigener Initiative. Eigenes Geld zu verdienen, bedeutet für sie Erfolg und Anerkennung. Unsere Kinder laufen heute eher Gefahr, zu selbstverständlich passiv zu konsumieren. Da ist die aktive Beschäftigung eine wichtige Erfahrung. Sie fördert den Realitätssinn und den Mut, sich auf sich selbst verlassen zu können.

Kunstmann: Wie viel sollten Kinder höchstens neben der Schule arbeiten?

Lutz: Die schulische Belastung, darf nicht unterschätzt werden. Zählt man die Hausaufgaben mit zur Schulzeit, haben Kinder locker eine 40-Stundenwoche. Zusätzliche Aktivitäten wie Sport oder Musikunterricht sind da noch nicht mit eingerechnet. Schüler brauchen Zeit zum Erholen. Da ist Arbeiten in der Schulzeit nicht sinnvoll.

Kunstmann: Viele Schüler arbeiten die  ganzen Ferien über. Ist das gut? 

Lutz: Ferienzeiten sind dringend notwendige Erholungszeiten. Hier kann sich der Lehrstoff setzen und die Kinder können Abstand gewinnen. So schöpfen sie neue Motivation zum Weiterlernen. Da ist es nicht ratsam, die ganze Zeit zu arbeiten. Eine Ausnahme sind die langen Sommerferien: Je nach Alter, Belastung und körperlicher Konstitution können kurze Ferienjobs durchaus in Ordnung sein.

Kunstmann: Ab 13 Jahren dürfen Schüler arbeiten. Sind sie in diesem Alter schon bereit dafür?

Lutz: Kinder sind heute zwar körperlich früher reif. Dafür sind sie emotional weniger entwickelt. Mit 13 Jahren können sie Arbeit und Spiel oft noch nicht klar unterscheiden. Wer so jung kontinuierlich arbeitet, kann sich seelisch überfordern. Nur spürbare materielle Not würde die Arbeit rechtfertigen.

Bio-Box: Christiane Lutz ist niedergelassene Kinder- und Jugendpsychotherapeutin sowie Paar- und Familientherapeutin in Stuttgart. Die  67-Jährige unterrichtet am C. G. Jung-Institut und an der Akademie für Tiefenpsychologie der Landeshauptstadt und ist Autorin zahlreicher Bücher.