Ab Dienstag Streiks bei den Bahnen

Stillstand bei den Tarifverhandlungen

Die Fahrgäste im Nah- und Regionalverkehr müssen sich ab Dienstag auf bundesweite Warnstreiks bei der Deutschen Bahn (DB) und ihren privaten Konkurrenten einstellen. Die Tarifgemeinschaft (TG) der Gewerkschaften Transnet und GDBA will am Montag bekannt geben, wo und wann sie den Betrieb zeitweilig lahm legen werden. Die TG ist sich sicher, dass sie auch bei den kleinen Bahnen streikfähig ist. „Bei allen Unternehmen haben wir genug Leute, um so etwas auf die Beine zu stellen“, versicherte TG-Sprecher Oliver Kaufhold.

Der Arbeitskampf wird von den Gewerkschaften verschärft, weil es bei den laufenden Verhandlungen über einen branchenweiten Entgelttarifvertrag zum Stillstand gekommen ist. Damit soll der über niedrige Löhne geführte Wettbewerb zwischen den Bahnen beendet werden. Bisher zahlen die meisten Privatbahnen wesentlich weniger als die DB. Grundsätzlich sind alle beteiligten Arbeitgeber zwar zum Abschluss eines Flächentarifs bereit, doch das bisher vorliegende Angebot reicht der TG nicht aus. Dies sehe weiterhin die Möglichkeit vor, 20 Prozent weniger als die Deutsche Bahn zu zahlen“, erläuterte Kaufhold.

Die Gemengelage ist ungewöhnlich kompliziert, weil es in dieser Tarifrunde absurd viele Beteiligte gibt. Zunächst geht es um besagten Branchentarifvertrag. Hier verhandelt die TG einerseits mit der Deutschen Bahn und davon getrennt mit den so genannten „G6“. Dahinter verbergen sich die sechs wichtigsten privaten Unternehmen der Branche, die allesamt mit am Tisch sitzen. Parallel dazu bemüht sich die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) in ebenfalls zweigleisigen Verhandlungen um ein Flächentarifvertrag für ihre Mitglieder. Allein diese Konstellation sorgte schon dafür, dass sich die Gespräche bereits seit Monaten hinziehen. Die G6 lehnen gemeinsame Verhandlungen mit dem Ex-Monopolisten DB ab. „Es kann doch nicht sein, dass die Bahn das dominiert“, sagt der Sprecher der G6, Christoph Kreienbaum.

Inhaltlich geht es grob gesagt um Mindeststandards für alle Bahnbediensteten in Deutschland und welche Bedingungen gelten, wenn nach der Ausschreibung einer Strecke der Betreiber wechselt. Nach Angaben der DB gilt bereits für 90 Prozent der Beschäftigten das von den Gewerkschaften geforderte Niveau. Es geht also um die restlichen zehn Prozent. Die DB hat ein Angebot vorgelegt, dass es den Privatbahnen ermöglicht, weiterhin bis zu sechs Prozent weniger als der Konzern zu zahlen. Darüber könne verhandelt werden, sagt Kaufhold. Bahnchef Rüdiger Grube hofft deshalb auf eine baldige Lösung des Konfliktes.

Doch die letzte Offerte der G6 lag je nach Sichtweise deutlich darunter. Nach Angaben der Privatbahnen bis zu zehn Prozent unter dem DB-Niveau, nach Angaben der DB bis zu 20 Prozent. Knackpunkt sind die Zuschläge, die Mitarbeiter der Deutschen Bahn erhalten. Wenn es nachts keinen Verkehr gebe, werden natürlich auch kein Zuschlag gezahlt, verteidigt Kreienbaum die harte Haltung der G6.

Seitdem das Angebot der G6 Anfang Oktober vorgelegt wurde, herrscht Funkstille. Die Arbeitgeber würden nun gerne einen Schlichter anrufen. Das lehnt die TG ab, weil die Vorstellungen „diametral entgegengesetzt liegen“, wie Kaufhold betont. Nun sollen Warnstreiks den Druck auf die Privatbahnen erhöhen.

Der einheitliche Tarif ist nur eine der Aufgaben der diesjährigen Tarifrunde. Im Anschluss stehen noch Lohnerhöhungen und die Verlängerung des Beschäftigungssicherungspakts bei der DB auf dem Programm. Sechs Prozent mehr Lohn verlangt die TG, gut fünf Prozent die GdL. Aus Bahnkreisen ist Verständnis für den Wunsch nach einem deutlichen Aufschlag zu hören, jedoch nicht in dieser Höhe. So kann es gut sein, dass nach einer Einigung über den Branchentarif neuerliche Arbeitskämpfe drohen.