Hoher Nutz- und Kulturwert, schlechte soziale Qualität – das ist das Geschäftsmodell von Apple
Apple-Chef Steve Jobs hat das Leben vieler Menschen schlechter gemacht. Wie das? Der am Mittwoch verstorbene Konzernführer aus Kalifornien gilt als visionär und genial, weil er unsere Kommunikation, unsere Wissensverarbeitung und unseren Kulturgenuss veränderte. Für moderne Menschen trifft der abgewandelte Loriot-Spruch zu: Ein Leben ohne iPhone ist möglich, aber sinnlos. Doch Apple-Produkte sind extrem widersprüchlich. In ihnen steckt die hohe Lebensqualität Kaliforniens und gleichzeitig die Brutalität chinesischer Industriestädte.
„Infinite Loop“ heißt die Adresse der Firmenzentrale in Cupertino – was man übersetzen kann als „unendliche Strömung“. Dieser Begriff spiegelt das kalifornische Lebensgefühl des permanenten Fortschritts. Verständlich, wenn man die Landschaft südlich von San Francisco ein bisschen kennt. In englischen Gärten stehen zwischen Palmenhainen und Blumenwiesen helle Bürogebäude. Das Klima ist warm und trocken, die Sportwagendichte hoch. Wer hier arbeitet, verdient in der Regel gutes Geld, bewohnt ein eindrucksvolles Haus mit Doppelgarage und fährt am Samstagmorgen die halbe Stunde hinunter an den Pazifik zum Surfen. Besser kann man auf dieser Welt kaum leben und arbeiten.
Von hier kommen hunderte Millionen iPhones und iPads. Denkt man. Stimmt aber nicht. Aus den USA stammen nur die Ideen. Auf dem iPhone steht „Designed bei Apple in California. Assembled in China“. Denn die Materie, die wir kaufen, kommt aus Asien. Apple produziert überwiegend nicht selbst, sondern lässt herstellen – beispielsweise vom Foxconn-Konzern. Dabei könnte der Unterschied zwischen der Apple-Zentrale im Silicon Valley und einer iPhone-Fabrik in Chengdu in Zentralchina kaum größer sein.
Die typische Foxconn-Arbeiterin ist 23 Jahre alt, darf sich am Werkband mit ihren Kolleginnen nicht unterhalten, schuftet zehn Stunden täglich sechs Tage pro Woche und bekommt 80 Euro-Cent pro Stunde. Das reicht zum Leben, ist aber zu wenig, eine Familie zu gründen. 2010 beging ein Dutzend deprimierter Foxconn-Arbeiterinnen Selbstmord. In diesem Frühjahr starben drei Beschäftigte bei einer Explosion. Die Arbeitsbedingungen bei Foxconn verstoßen selbst gegen chinesische Gesetze.
In den iPhones und iPads steckt die schlechte Seite der Globalisierung. Mit den lächerlichen Arbeitslöhnen in China verdient Apple unglaubliche Renditen, die selbst Deutsche-Bank-Chef Ackermann Achtung abnötigen.Rund 25 Prozent vom Umsatz sind Profit. Allein im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres machte Jobs´ Firma einen Gewinn von sieben Milliarden Dollar. Davon gibt Apple den chinesischen Arbeitern viel zu wenig ab. Die Unternehmenspolitik ist verantwortungslos, die soziale Qualität des iPhones verdient das Prädikat „schlecht“.
Warum aber bremst das die Verkaufserfolge nicht? Wahrscheinlich, weil der Kultur- und Nutzwert der Apple-Produkte so sagenhaft hoch ist. Seit der Erfindung des iPods hat man tausende Songs in der Hosentasche, seit iTunes kann man die Musik billig und legal aus dem Netz laden. Mit dem iPad kommt man der Vision ziemlich nahe, die Douglas Adams in „Per Anhalter durch die Galaxis“ beschrieb – man hält den Generalschlüssel zur Welt in Händen. Der aber hat seinen Preis.