Jeder dritte Fernzug kommt zu spät

Stiftung Warentest hat Pünktlichkeit der Bahn getestet / Unternehmen widerspricht und gelobt Besserung

Nur jeder dritte Fernzug der Deutschen Bahn rollt pünktlich am Zielbahnhof ein. Das ergab eine Auswertung von mehr als einer Million Zugankünfte durch die Stiftung Warentest. „Auf den Taktfahrplan des Fernverkehrs ist häufig kein Verlass“, heißt es in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift Test.

Da der Konzern die Pünktlichkeitsstatistik als Geheimsache betrachtet, haben die Verbraucherschützer eine eigene erstellt. Dabei wertete die Stiftung die Internetangaben der Bahn zu den tatsächlichen Ankunftszeiten der Züge aus. Zudem wurden Späher auf bundesweit 20 große Bahnhöfe geschickt, die vor Ort Pünktlichkeitsdaten sammelten. Insgesamt 1,3 Millionen Zugbewegungen wurden so seit Juli 2010 erfasst.

Als besonders unpünktlich erwiesen sich die Nachtzüge. 42 Prozent der Reisen endeten hier mit einer Verspätung von mehr als sechs Minuten. Beim ICE, IC und EC ist etwa jeder dritte Zug unpünktlich. Nur die Regionalbahnen fielen positiv auf. Hier kamen neun von zehn Zügen wie im Fahrplan vorgesehen ans Ziel. Das hat nach Einschätzung der Stiftung einen guten Grund. Denn Regionalzüge werden von den Ländern bestellt und bezahlt. „Sind sie unpünktlich, sehen die Verträge oft Strafzahlungen vor“, erläutern die Verbraucherschützer. Deshalb gehe die Einhaltung des Fahrplans hier vor das Warten auf Anschlussreisende aus Fernverkehrszügen.

Auch regional stellten die Warentester erheblich Unterschiede fest. Am häufigsten haben Fahrgäste in Erfurt Grund zum Ärger. 43 Prozent der Fernverkehrszüge sind dort verspätet. In Stralsund sind es nur 15 Prozent. Auffallend ist, dass alle großen Knotenbahnhöfe schlechte Pünktlichkeitswerte vorweisen. Die Gründe dafür sehen die Tester in einer unzureichenden Infrastruktur. Es fehle an Bahnsteigen und es gebe Engpässe bei den Zulaufstellen, so dass der enge Taktplan bei einer Störung gehörig durcheinander gerate.

Eine besonders schlechte Bilanz attestiert die Stiftung der Bahn in den harten Wintertagen im vergangenen Dezember. An keinem Tag waren mehr als 70 Prozent der Fahrten pünktlich. Bahnchef Rüdiger Grube hatte im Verkehrsausschuss des Bundestages nur von vereinzelten Tagen mit diesem Wert gesprochen.

Die Bahn selbst ficht die Erhebung nicht an, hält sie aber aufgrund des begrenzten Prüfzeitraums für wenig aussagekräftig. „Über das ganze Jahr betrachtet liegt der Pünktlichkeitswert seit langem stabil über 90 Prozent“, versichert ein Sprecher. Der harte Winter sowie fünf Streiktage hätten die Statistik der Warentester negativ beeinflusst. Die vielen Verspätungen am Abend erklärt die Bahn mit Kundeninteressen. Die letzten Züge würden auf die Anschlüsse warten, damit auch jeder Fahrgast noch wegkommt. Außerdem verweist das Unternehmen auf Verspätungen, die aus dem Ausland einrollende Züge in den Fahrplan tragen.

Dennoch gelobt das Unternehmen Besserung. Die Kunden sollen besser über Veränderungen im Fahrplan informiert werden. Außerdem wurde viele neue Züge bestellt. Technisch bedingte Ausfälle verringern sich, wenn das rollende Material in einigen Jahren erneuert sein wird.

Der Fahrgastverband Pro Bahn nimmt den Konzern in Schutz. Neue Fahrzeuge seien bestellt worden, lobt Verbandschef Karl-Peter Naumann, „viel mehr hätte man nicht tun können.“ Naumann schiebt den schwarzen Peter eher der Politik zu. Der Bahnverkehr werde nicht langfristig geplant. Auch investiere der Bund lieber in prestigeträchtige Projekte als in die Verbesserung der unspektakulären Infrastruktur. „Erst denken, dann bauen“, fordert der Verbraucherschützer.