Erfolgreiche Schlichtung bringt ersten Branchentarifvertrag für die Bahnen
Im Nahverkehr auf der Schiene gilt demnächst faktisch ein Mindestlohn. Nach rund zweijährigen Verhandlungen verständigten sich die sechs führenden Privatbahnen mit der Deutschen Bahn und der Eisenbahnergewerkschaft EVG auf einen Branchentarifvertrag. Der Kompromiss ist das Ergebnis eines Schlichtungsverfahrens, dass der frühere SPD-Verteidigungsminister Peter Struck geleitet hat. „Es wird in Zukunft kein Lohndumping mehr im Schienennahverkehr mehr geben“, kündigte der Politiker an. Für rund 35.000 Beschäftigte ist der Branchentarif ab dem 1. Februar maßgeblich. Zwei Drittel von ihnen arbeiten bei der Deutschen Bahn.
Die Lohnunterschiede zwischen den Privatbahnen und dem bundeseigenen Konzern waren bisher ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Bei Ausschreibungen unterboten die neuen Konkurrenten auf der Schiene den Ex-Monopolisten regelmäßig, weil sie mit niedrigeren Lohnkosten kalkulieren konnten. Je nach Angabe zahlten die kleinen Bahnen mitunter über 20 Prozent weniger. Die wichtigsten Unternehmen werden sich bei der Bezahlung künftig am Tarif des Konzerns orientieren. Das sind die Bahnen Benex, Veolia, Arriva, Keolis, die Hessische Landesbahn sowie Abellio. De Vereinbarung sieht vor, dass sie höchsten 6,5 Prozent unter dem Niveau der Deutschen Bahn liegen dürfen. Auch wird es künftig keine regional unterschiedlichen Tarife mehr geben. „Wir sind an unsere Belastungsgrenze gegangen“, gibt Benex-Unterhändlerin Ulrike Riedel zu.
Die anderen Privatbahnen sollen nun über einen Umweg zur Zahlung des Branchentarifs gezwungen werden. Die Länder sollen bei Ausschreibungen die Einhaltung des Tarifs zur Bedingung machen. Da es keine weiteren Auftraggeber gibt, wird das Lohnniveau praktisch zu einem Mindestlohn. Ein Zugbegleiter bei der Deutschen Bahn verdient etwa elf Euro in der Stunden als Einstiegsgehalt.
Zu den Profiteuren der Einigung gehören auch Beschäftigte der Deutschen Bahn. Der Konzern hatte in den vergangenen Jahren Regionalgesellschaften gegründet, in denen das Zugpersonal schlechter bezahlt wurde als im Unternehmen sonst üblich, um konkurrenzfähig zu bleiben. Das hat nun ein Ende. Künftig werde auch in diesen Töchtern das Tarifniveau des Konzerns gelten, sagte Personalvorstand Ulrich Weber.
Bis die neuen Regeln überall gelten, wird noch einige Zeit vergehen. Denn in laufende Verkehrsverträge wird nicht eingegriffen. Momentan schlechter bezahltes Personal muss warten, bis die Verkehrsleistung neu ausgeschrieben wird. Ein erster Test des Branchentarifs steht demnächst in Brandenburg an, wo eine Zugleistung von 10 Millionen Personenkilometern ausgeschrieben wird. Dort könnte der Auftraggeber die Einhaltung des Branchentarifs vorschreiben. Selbst wenn die Länder nicht mitspielen, lässt sich der Mindestlohn durchsetzen. Der Tarifvertrag kann für allgemeinverbindlich erklärt werden.
Außerdem gibt es für die Beschäftigten stufenweise gut drei Prozent mehr Lohn. Die letzten Verhandlungen über die Entgelterhöhungen finden in den nächsten Tagen statt. Nur die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) steht nun noch außen vor. Die GdL beharrt auf eigenen Verhandlungen mit den Bahnunternehmen. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor.