Benzinpreis: Elektroautos werden irgendwann billiger fahren als fossile Fahrzeuge
Jörg Müller stellt den Stoff her, der Autofahrern einen Teil ihrer Sorgen nehmen könnte. Mit hunderten Windrädern produziert er Ökostrom, den seine Firma Enertrag in der brandenburgischen Uckermark neuerdings auch nutzt, um Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zu spalten. Letzteren kauft demnächst der Mineralölkonzern Total und veräußert ihn an einer Wasserstoff-Tankstelle in Berlin als Auto-Treibstoff. Bei manchen Fahrzeugen ist diese Variante im Vergleich zu Benzin billiger.
Enertrag und Total testen damit ein Geschäftsmodell, dass sich nicht nur für deutsche Autofahrer als zunehmend interessant erweisen könnte. Bereits heute sind Gasantriebe teils wesentlich günstiger als Benzin, das aus Erdöl gewonnen wird. Künftig könnte der Kostenvorteil noch wachsen. Weil der Spritpreis vor den Ostertagen auf Rekordwerte um 1,70 Euro stieg, läuft jetzt wieder einmal eine muntere Debatte darüber, wie Autofahrer zu entlasten wären.
Verkehr ohne Erdöl: In diese Richtung führen mehrere Wege. Gas in den Motoren der Fahrzeuge zu verbrennen, ist eine Variante. Eine andere Strategie, mit der die Bundesregierung Deutschland zum internationalen Vorreiter machen will, ist die Elektromobilität. Auch dabei lautet die gute Nachricht: Stark steigende Benzinpreise sind für Bürger und Politiker kein unentrinnbares Schicksal. Es dauert zwar noch einige Zeit, aber künftig werden Elektrofahrzeuge so ausgereift und zahlreich sein, dass man mit ihnen billiger fährt als mit ölgetriebenen Vehikeln.
Diese Vision sei nicht unrealistisch, sagt Georg Wilke, Projektleiter beim Wuppertal Institut für Umwelt, Klima, Energie: „Wahrscheinlich wird die Nutzung von Elektrofahrzeugen irgendwann kostengünstiger sein als die Mobilität mit Autos, die fossilen Treibstoff brauchen.“ Einschränkend fügt Wilke aber hinzu, dass dieser Vorteil nur ein relativer sei: „Man darf nicht vergessen, dass die Kosten für Mobilität so oder so weiter steigen werden. Das gilt auch dann, wenn der Strom für den Antrieb der Elektrofahrzeuge aus erneuerbaren Energien gewonnen wird.“
Die Smiles AG, die elektrische Kleinstwagen anbietet, ist dagegen betont optimistisch. Elektromobilität sei bereits heute billiger sei als fossiles Fahren, heißt es am Firmensitz im bayerischen Städtchen Aub. Für den in Italien hergestellten Kleinstwagen Tazzari Zero gibt Smiles Gesamtkosten von 24 Cent pro Kilometer an – inklusive Kauf, Abschreibung, Reparaturen und Strom. Dem stellt die Firma einen sparsamen Benziner vom Typ Smart gegenüber, für den sie Fahrkosten von 30 Cent errechnet. Bei einem VW Polo würden 34 Cent anfallen. Die Botschaft: Elektrisch zu fahren sei heute schon für die Bürger ein Geschäft, das sich rechnet.
Unabhängige Experten sind da allerdings vorsichtiger. So kamen das Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers in einer gemeinsamen Studie zu dem Ergebnis, dass heutige Elektroautos deutlich teurer fahren. Wegen der vergleichweise hohen Anschaffungskosten rechne sich ihr Betrieb erst ab sehr langen Jahresfahrleistungen von etwa 45.000 Kilometern, die kaum ein privater Nutzer erreicht. Eine Größe, die die differierenden Ergebnisse bedingt, sind unterschiedliche Annahmen über den alljährlichen Wertverlust der Fahrzeuge.
Auch Wuppertal-Forscher Wilke sagt: „Ich bin skeptisch, ob die Hersteller die höheren Kosten von Elektrofahrzeugen in den kommenden zehn Jahren in den Griff bekommen. Das Kernproblem liegt in der Batterietechnik, unter anderem in derem hohen Preis.“ Das Elektroauto an sich ist zwar einfacher und billiger als ein benzingetriebenes Fahrzeug, aber die Speichertechnik setzt noch deutliche Grenzen. Die geladene Energiemenge ermöglicht meist nur geringe Distanzen, beispielsweise 150 Kilometer. Bei normalem Nutzungsverhalten laufen Autofahrer Gefahr liegen zu bleiben. Außerdem dauert der Ladevorgang oft noch zu lange.
Hinzu kommen weitere Kostenfaktoren, die Elektroautos in Zukunft teurer machen könnten. So ist heute nicht bekannt, wie weit der Strompreis steigen wird. Im übrigen mag die Regierung irgendwann auf die Idee kommen, eine höhere Verbrauchssteuer für Fahrstrom ähnlich der Mineralölsteuer zu kassieren.
Trotz allem gehen die großen Autohersteller mittlerweile davon aus, dass sie irgendwann konkurrenzfähige Elektromobile verkaufen können. Zwar sind heute erst wenige tausend solcher Fahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs. Aber nachdem Toyota, Mitsubishi oder Peugeot alltagstaugliche Modelle in den Verkehr geschickt haben, ziehen auch deutsche Unternehmen nach. Seit kurzem wird der Opel Ampera ausgeliefert, bald sollen neue Fahrzeuge beispielsweise von BMW folgen. Zulieferer wie BASF und Bosch entwickeln intensiv neue Batterietechnik und Komponenten. Bosch-Manager Bernd Bohr rechnet damit, dass sich ab Mitte des nächsten Jahrzehnts – also etwa 2025 – die E-Autos durchsetzen und von da an weniger Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor verkauft werden.