Die Angst aß mit

10 Jahre Rinderwahn

Die erschreckenden Bilder aus dem Großbritannien des Jahres 2000 haben viele noch vor Augen. Rinder, die entrückt über die Wiese taumeln und elend verendeten. Ein Premierminister, der vor laufenden Kameras herzhaft in einen Burger beißt, und so die Gefahren des Rinderwahnsinns kaschiert. Die Abdecker hatten in diesen Tagen alle Hände voll zu tun, um die von der Krankheit Bovine Spongiforme Enzephalopathie, kurz BSE, befallenen Herden zu töten. Ganz Europa verfiel in hektische Tierkontrollen, weil der Erreger auf den Menschen übergehen und die tödlich verlaufende Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auslösen kann.

Heute vor zehn Jahren, am 24. November 2000, war Deutschland dran. Der erste BSE-Fall wurde nachgewiesen. Mehr als 400 kamen seither dazu. 2008 und 2009 waren es jeweils nur noch zwei Fälle. In diesem Jahr wurde noch kein daran erkranktes Rind entdeckt. 20 Millionen Rinder wurden seit dem ersten Auftreten getestet. Menschen sind in Deutschland noch nicht erkrankt. Das Sicherheitssystem hat also funktioniert. Das räumt auch die sonst sehr kritische Verbraucherorganisation Foodwatch ein. „Die BSE-Bekämpfungsmaßnahmen waren erfolgreich“, stellt ihr Fleisch-Experte Matthias Wolfschmidt fest.

Die durch den Rinderwahn ausgelöste Krise der Landwirtschaft hatte langfristige Folgen. Die Angst aß mit. Rindfleisch war zeitweilig praktisch unverkäuflich. Mit Renate Künast übernahm eine grüne Ministerin das Fachressort der Bundesregierung und bekam dazu noch den Verbraucherschutz. Die heutige Fraktionschefin der Grünen sagte den Agrarfabriken den Kampf an. Denn die Verfütterung von verseuchtem Tiermehl an die Rinder hat BSE auf dem Kontinent verbreitet.

Mit neuen Gesetzen und Vorschriften sorgte die Bundesregierung für ein lückenloses Kontrollsystem in der Tierzucht, „vom Acker bis auf den Teller“, wie das Landwirtschaftsministerium heute feststellt.. Die Lebensmittelsicherheit wurde fast über Nacht zu einem politischen Dauerthema und der Verbraucherschutz rückte aus dem Randdasein in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. So hatte die Krise auch ihre guten Seiten.

Doch ist mit der Lebensmittelproduktion längst nicht alles in Butter. Weder konnten die Grünen ihren Kampf gegen die industrialisierte Billigproduktion von Nahrungsmitteln gewinnen, noch können die können die Kunden im Supermarkt allen Angeboten blind vertrauen. Spätestens die Gammelfleischskandale der letzten Jahre haben die Anfälligkeit der Lebensmittelwirtschaft für den schnellen Euro belegt. Für Foodwatch ist ausgerechnet der Erfolg im Kampf gegen BSE ein Grund für Skandale anderswo. Die Fleischlobby habe in den vielen neuen Regelungen jener Zeit eine weitgehende Liberalisierung des Marktes für Fleischabfälle durchgesetzt, kritisiert Wolfschmidt. Jährlich rund 16 Millionen Tonnen des Biomülls würden europaweit nahezu unkontrolliert gehandelt. Statt mit verbindlichen Farbmarkierungen Ekelfleisch kenntlich zu machen, bleibt die Ware Abfall nicht erkennbar.

„Aus lauter Industriefreundlichkeit mutet die EU ihren Bürgern zu, dass ihnen ohne Probleme Schlachtabfälle untergejubelt werden“, kritisiert die Organisation. Und auch der permanente Preisdruck auf die Landwirte ist ein anhaltendes Problem. Denn der Zwang zum billigen Erzeugen nährt die Motivation, bei der Qualität Abstriche hinzunehmen. So ist der nächste Lebensmittelskandal nach Ansicht vieler Experten nur eine Frage der Zeit.