Nach ihrem vergeigten Start hat die Koalition aus Union und FDP nun an Zusammenhalt gewonnen – trotz des neuen Streits um die Euro-Stabilität
Deja-Vu: FDP-Außenminister Guido Westerwelle bringt die Bundesregierung öffentlich in die Bredouille. Scharf kritisiert er, dass Kanzlerin Angela Merkel gegenüber der französischen Regierung klein beigegeben habe, was die Stabilität des Euro betrifft. Es herrscht Streit in der Koalition – das hat Westerwelle wieder einmal erreicht.
Damit scheint der alte Konflikt erneut aufzubrechen. Lange Zeit gab die Regierung ein desolates Bild ab, die drei in der Koalition vertretenen Parteien waren in wichtigen Fragen uneins. Deshalb stürzten die Union und die FDP seit der Bundestagswahl in den Umfragen massiv ab. Aktuell würden laut ZDF-Politikbarometer nur 32 Prozent der Wähler ihre Stimme der Union geben, fünf Prozent der FDP.
Und doch ist die Lage anders als vor einem halben Jahr. „Indem sich Westerwelle zum Euro-Stabilitätspakt äußert, zeigt er, dass er sein Ressort der Außenpolitik ernst nimmt“, sagt CDU-Politiker Norbert Barthle. Westerwelles Kritik: Entgegen den Absprachen mit der FDP habe Merkel in Verhandlungen mit der französischen Regierung auf automatische Strafen für Euro-Defizit-Staaten verzichtet. Während Westerwelle anfangs von Thema zu Thema sprang, konzentriert er sich jetzt mehr auf das Kerngebiet der Außenpolitik.
Auch insgesamt erweckt die Regierung inzwischen den Eindruck, als sei sie besser sortiert. Wie sagte es Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP)? „Wir reden erstmal intern, dann öffentlich. Das haben wir inzwischen gelernt.“
Relativ unfallfrei hat die Regierung in den vergangenen Wochen drei brisante Vorhaben auf den Weg gebracht: die Gesundheitsfinanzierung, die Hartz-IV-Reform und das Energiekonzept inklusive längerer Laufzeiten für Atomkraftwerke. Mindestens die Energiefrage wird zwar noch heftige gesellschaftliche Auseinandersetzungen verursachen, aber immerhin hat sich die Koalition nicht selbst im Streit zerlegt.
Im ersten Halbjahr 2010 konnte man davon nicht ausgehen. Nach ihrem erstaunlich guten Wahlergebnis kompensierte die FDP mangelnde Regierungserfahrung durch Kraftmeierei. Bankencrash, Wirtschaftskrise und Staatsverschuldung ignorierend, wollte sie ihr aus der Zeit gefallenes Programm umfangreicher Steuersenkungen realisieren. Zum Image-Desaster für die gesamte Regierung wurde eine Steuerleichterung für die vermeintliche FDP-Klientel der Hotel-Unternehmen.
Nach mehreren derartigen Fehltritten spekulierten Beobachter und auch Koalitionsmitglieder im Sommer über den möglichen Bruch der Regierung. Um weitermachen zu können, musste vor allem bei der FDP das Realitätsprinzip Einzug halten. „Der finanzielle Spielraum erlaubt nicht, dass man alles sofort machen kann, was man sich wünscht“, sagt heute FDP-Fraktionsvize Heinrich Kolb. „Aber“, so fügt er hinzu, „die Legislaturperiode dauert vier Jahre.“ Das Umsteuern scheint gelungen: Gegenwärtig rechnet mit dem vorzeitigen Ende von Schwarz-Gelb kaum noch jemand.
Eine Nervensäge allerdings bleibt – Horst Seehofer. Gegen die Erosion der einst mächtigen Volkspartei CSU in Bayern kämpft der Parteichef, indem er politische Geradlinigkeit medialer Aufmerksamkeit opfert. Lange Zeit trug Seehofer das Konzept der Rente mit 67 mit, jetzt ist er plötzlich dagegen. „Die traditionelle Eigenart der CSU, sich gegen Berlin zu äußern, ist in jüngster Zeit zu stark ausgeprägt“, sagt Norbert Barthle, „die Kritik Seehofers an der Rente mit 67 macht das Regieren nicht leichter.“
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Der Euro-Streit
FDP-Chef Westerwelle und seine Fraktion wollen in den Euro-Stabilitätspakt automatische Geldstrafen für Staaten einbauen, die sich zu hoch verschulden. Die EU-Kommission sieht das ähnlich. Dagegen haben Kanzlerin Merkel und der französische Präsident Sarkozy jüngst vereinbart, auf quasi automatische Strafen zu verzichten. Die FDP-Fraktion will diese Entscheidung nun revidieren. Westerwelle gab sich am Freitag kompromissbereit, um den Konflikt nicht auf die Spitze zu treiben.