Betriebsräte beobachten wachsende Zahl von Burnout / Unternehmen kümmern sich zu wenig um weniger Stress / IG Metall will Beschäftigte per Gesetz vor zu hoher Belastung schützen
Volle Auftragsbücher und Wettbewerbsdruck sind zwei Zutaten einer unheilvollen Melange. Denn den Druck von außen geben viele Unternehmen nach unten zu ihren Beschäftigten weiter. Der Stress im Job wächst und der Leistungsdruck nimmt zu. Mehr als zwei Drittel der von der IG Metall befragten knapp 4.000 Betriebsräte gaben diese Beobachtung weiter. Der zunehmenden Belastung halten viele Arbeitnehmer nicht mehr stand und erkranken psychisch. „Der berufliche Stress droht zu einer der größten gesundheitlichen Gefahren des 21. Jahrhunderts zu werden“, warnt IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban.
Erst kürzlich hat sich mit dem Schalker Bundesligatrainer Ralf Rangnick ein prominentes Opfer des Jobs zur Überforderung seiner selbst bekannt und aufgehört. Meistens verheimlichen die Betroffenen jedoch ihre Probleme, so lange es geht. Und die Arbeitsbedingungen sind längst nicht mehr nur für extrem leistungsorientierte Menschen zum Krankheitsherd geworden. „Stress und Burnout haben längst in Werkstätten, Fabrikhallen und Büros um sich gegriffen“, erläutert Urban.
Als Burnout, auf deutsch „Ausgebrannt“ bezeichnen Mediziner und Psychologen einen Zustand emotionaler, geistiger und körperlicher Erschöpfung. Auslöser ist oft eine anhaltende Überlastung der eigenen Kräfte. Die Symptome sind denen einer Depression häufig ähnlich. Die Betroffenen fühlen sich zunächst ausgelaugt. Dann verändert sich das soziale Verhalten gegenüber Kollegen, aber auch im Privatleben. Am Ende stehen eine große innerliche Leere und das Gefühl, versagt zu haben.
Die Umfrageergebnisse belegen den unheilvollen Trend. In 86 Prozent der Betriebe wird der Anstieg psychischer Erkrankungen als ernst zu nehmendes Problem angesehen. 40 Prozent der Betriebsräte berichten von einer starken oder sehr starken Zunahme der krankmachenden Überlastung. Der Befund deckt sich mit den Einschätzungen der Krankenkassen. Die AOK hat eine Verzehnfachung der Burnout-Fälle zwischen 2004 und 2010 errechnet. Nach Angaben des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO) wurden im vergangenen Jahr rund 100.000 Arbeitnehmer krankgeschrieben, deren Diagnose auf das Burnout-Syndrom hinwies. Genauer weiß es niemand, da Ärzte das Bild nicht als eigenständige Diagnose angeben müssen. Das Institut macht gestiegene psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz als eine der wichtigsten Ursachen dafür aus.
Laut Gewerkschaft kümmern sich die Arbeitgeber noch viel zu wenig um das Problem. Zwei von drei Betriebsräten beklagen, dass ihre Firma sich gar nicht oder zu wenig um Hilfe für die Betroffenen kümmert. „Es besteht ein erheblicher Handlungsbedarf“, stellt Urban daher fest.
Auf freiwillige Angebote seitens der Arbeitgeber setzen die Metaller dabei nicht. „Hier muss endlich mit einer Anti-Stress-Verordnung nachgebessert werden“, verlangt der Gewerkschafter eine gesetzliche Arbeitsschutzregelung gegen übermäßig hohe Belastungen. Was genau damit geregelt werden soll, ließ Urban im Nebel. Themen seien die Arbeitszeiten, das Verhalten der Vorgesetzte, soziale Kontakte im Betrieb oder die Belastungen in Gruppen- und Projektarbeit. Als Vorbilder nennt die Gewerkschaft Regelungen in Frankreich, Italien und Skandinavien.