Der Tausch Haus gegen Rente gilt als Zukunftsmodell
Das Haus ist abbezahlt, und trotzdem ist das Geld knapp. Viele Rentner kommen gerade so über die Runden. Dabei wissen die Senioren häufig gar nicht, dass sie sich eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen können. Das gilt zumindest für Eigenheimbesitzer. Denn die Immobilie kann versilbert werden, ohne dass der Eigentümer gleich ausziehen müssen. In den USA oder Großbritannien ist das schon lange üblich.
Umkehrhypothek lautet das Fachwort. Die Idee ist einfach: Eigenheimbesitzer beleihen ihre Immobilie und bekommen einen Kredit, den sie sich als Einmalzahlung oder in monatlichen Raten von der Bank auszahlen lassen. Dazu erhalten sie lebenslanges Wohnrecht. Zinsen oder Tilgung müssen Darlehensnehmer während der Laufzeit nicht zahlen. Die Kreditsumme nebst anfallenden Zusatzkosten wird erst fällig, wenn der Hauseigner stirbt oder auszieht. Der Kredit wird dann aus dem Verkaufserlös der Immobilie zurückgezahlt.
Seit einem Jahr ist die Grünwalder Immokasse mit der Umkehrhypothek „Immo-Renten-Plus“ auf dem Markt. Das private Unternehmen bietet Kreditnehmern bisher nur die Möglichkeit einer Einmahlzahlung. Der Finanzanbieter tüftelt aber bereits an einem „Rentenmodell“ mit monatlichen Ratenzahlungen. Von der Zukunftsträchtigkeit der Seniorenhypothek ist die Firma überzeugt. „Angesichts drohender Altersarmut entscheiden sich immer mehr ältere Menschen, ihre Immobilie in Bargeld umzuwandeln“, sagt Geschäftsführer Lutz Delius.
Ganz so leicht wie den Nachbarn aus Übersee fällt es den Deutschen jedoch nicht, sich von ihrem Hab und Gut zu trennen. „Die Briten zum Beispiel, sehen ihr Eigenheim als ganz normale Kapitalanlage“, so der Chef der Immokasse. „Für sie macht es keinen Unterschied, ob sie eine Aktie oder ihr Haus verkaufen.“ Deutsche Hausbesitzer seien da nicht so emotionslos und würden an den eigenen vier Wänden hängen.
65 Jahre alt müssen Eigentümer sein, um den Kredit bei der Immokasse zu bekommen. Die Immobilie muss dazu schuldenfrei oder nur gering belastetet sein. Von der Höhe des Darlehens dürften viele Interessenten jedoch enttäuscht sein. Zwischen 15 und 35 Prozent des Verkehrswertes des Eigenheims erhalten Senioren, bei einem Zinssatz von 6,9 Prozent. Auch für die Stundung der Zinsen fällt eine jährliche Pauschale von mehreren Hundert Euro an. Maximal 45.000 Euro Kredit bekommen 65-Jährigere für ein Haus im Wert von 300.000 Euro. Mit 75 Jahren sind es knapp 85.000 Euro.
Als „teuren Spaß“ bezeichnet der Chefredakteur von Finanztest, Hermann-Josef Tenhagen die Umkehrhypotheken. Und Volkswirt Gunnar Lang vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim rät angehenden Kreditnehmern, genau auf die Kosten des Darlehens zu schauen. „Es fallen nicht nur Zinsen, sondern eventuell auch Abschlussgebühren an“, so der Finanzexperte. Weil sich auf dem Kapitalmarkt immer auch schwarze Schafe tummeln, empfiehlt er Verbrauchern, genau darauf zu achten, dass es sich auch wirklich um ein Kreditgeschäft handelt, und dass sie auch tatsächlich Eigentümer der Immobilie bleiben. Lang empfiehlt, sich vorliegende Angebote vor einem Vertragsabschluss zusätzlich durch einen vertrauenswürdigen unabhängigen Experten kritisch beurteilen zu lassen.
Noch bieten nur wenige deutsche Institute eine Umkehrhypothek an. Doch das könnte sich schnell ändern. „Viele Banken sind an dem Produkt interessiert“, berichtet ZEW-Mitarbeiter Lang. „Die Institute sehen, dass sich in anderen europäischen Ländern ein Markt entwickelt hat, und dass das Produkt dort gut ankommt.“ Interessierte sollten deshalb mit einem Vertragsabschluss noch etwas warten, um die Angebote mehrerer Unternehmen vergleichen zu können.
In wenigen Wochen will die Investitionsbank Schleswig- Holstein mit ihrer eigens entwickelten „IB-Immorente“ an den Start gehen. Nicht immer muss es jedoch gleich der Weg zum Kreditinstitut sein, wenn das Häuschen in Bares umgewandelt werden soll. „Möglicherweise kann es eine Alternative sein, vorab die Erben zu fragen, ob sie das Haus nicht für eine bestimmte Summe erstehen möchten“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die Erben würden in diesem Fall zwar draufzahlen, jedoch nicht leer ausgehen. Schließlich verbleiben Hab und Gut bei ihnen und nicht bei der Bank.