Deutschland wird in Davos kritisiert

Euro-Krise und Staatsschulden sind zentrale Themen beim Weltwirtschaftsforum 2011 in der Schweiz. Ökonom Nouriel Roubini kritisiert deutsche Sparsamkeit

Deutsche Politiker werden beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum von Davos unter besonderer Beobachtung stehen. Der Weltgipfel der globalen Management- und Politik-Elite, der am Mittwoch in dem Schweizer Nobel-Skiort beginnt, war in den vergangenen Jahren für deutsche Vertreter eher unproblematisch – die Finanzkrise kam ja aus den USA. Die Euro-Krise dagegen, das vermutliche Hauptthema des WEF 2011, spielt sich in Europa ab. Und einige Wortführer des Forums schreiben der Bundesregierung eine Mitverantwortung dafür zu, dass die Lage weiterhin gefährlich bleibt.

Angesichts dieser Stimmungslage kann es nicht schaden, dass die deutsche Teilnahme dieses Jahr außergewöhnlich hochkarätig und umfangreich ausfällt. Neben Kanzlerin Angela Merkel stehen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Sozialministerin Ursula von der Leyen auf der Teilnehmerliste von Davos. Aus Stuttgart soll Ministerpräsident Stefan Mappus anreisen, aus Brüssel sein Vorgänger und gegenwärtiger EU-Energie-Kommissar Guenther Oettinger. Und aus Luxemburg wird Klaus Regling nach Davos fliegen, der den Europäischen Stabilitätsfonds (EFSF), den so genannten Euro-Rettungsschirm, leitet.    
Den kritischen Ton gegen die deutsche Position in der Euro-Krise gab unlängst US-Ökonom Nouriel Roubini in einem Interview vor. Wie im vergangenen Jahr wird Roubini bei einer ersten Davos-Veranstaltungen am Mittwoch auf dem Podium sitzen und mit seinen Thesen die Debatten der kommenden Tage beeinflussen. Roubinis Reputation und argumentative Durchschlagskraft beruht darauf, dass er die Finanzkrise vor vier Jahren relativ genau kommen sah.

Die Empfehlung des Ökonomen lautet schlicht: "Mehr Geld ausgeben." Diesen Rat erteilte er sowohl der Europäischen Zentralbank, als auch der Bundesregierung und der Euro-Gruppe insgesamt. Die EZB solle mit allen Mitteln, etwa weiterhin niedrigen Zinsen, dafür sorgen, dass ausreichend Geld im Wirtschaftskreislauf zirkuliere und dadurch das Wachstum stimuliert werde, so Roubini. Denn ohne zusätzliches Wachstum sei es den hoch verschuldeten, von der Zahlungsunfähigkeit bedrohten Euro-Staaten Portugal, Spanien und Italien nicht möglich, ihre Schuldenlast zu verringern.

"Deutschland sollte seine Austeritätsstrategie verschieben", sagte der Ökonom an die Adresse der Bundesregierung. Merkel, Schäuble und Brüderle müssten einwilligen, Staaten wie Griechenland und Irland mehr finanziellen Spielraum zu gewähren. Diese Länder würden nur dann aus ihren Schulden herauswachsen können, wenn sie nicht die rigiden Sparprogramme durchführen müssten, die die EU und der IWF ihnen unter tätiger Mithlife der Bundesregierung aufgebrummt hätten.

Und drittens müsse die Euro-Gruppe den Rettungsschirm für bedrohte Staaten um ein paar hundert Milliarden Euro aufstocken, forderte Roubini. Nur dann würden die
Investoren an den Finanzmärkten glauben, dass die Gefahr des Zusammenbruchs einer Euro-Ökonomie wie Spaniens gebannt sei. Unter dem Strich, so Roubini, gebe es nur eine Wahl: Entweder müsse das reiche Deutschland mehr Geld in den Fortbestand des Euro investieren, als es heute bereit sei, oder die Euro-Zone breche durch den Kollaps eines oder mehrerer Staaten auseinander.

Mit diesen Argumenten holt Roubini die Auseinandersetzung nach Davos, die in den vergangenen Wochen schon die Debatte auf der Bühne der europäischen Politik Bühne prägte. So forderten EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Währungskommissar Olli Rehn, den Rettungsschirm auszuweiten. Bislang bremst die Bundesregierung.
Aber auch die Spar-Position wird in Davos vertreten sein. So moderiert Dennis Snower, der Präsident des Kieler Institutes für Weltwirtschaft, eine Diskussionsveranstaltung mit dem Titel "Globale Risiken". Snower hält die "Aufstockung des Euro-Rettungsschirmes für unsinnig", wie er gegenüber dieser Zeitung sagte. Stattdessen sei es sinnvoll, eine langfristige Sparpolitik zu formulieren, die es den Staaten einerseits erlaube zu wachsen, andererseits aber die Schulden wieder auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Snower schlägt vor, von der Politik unabhängige Schuldenkommissionen zu berufen, die die Maßnahmen überwachen sollten.

Info-Kasten
WEF Davos 2011
Das alljährliche World Economic Forum (WEF) im Schweizer Skiort Davos bietet für Manager und Politiker eine Mischung aus Weltgipfel und Bildungsurlaub. Man trägt Wanderschuhe, verzichtet auf die Krawatte, bereitet die kommenden Geschäfte und Entscheidungen vor und kann ein, zwei Tage Skilaufen dranhängen. Mit 2.500 Gästen, Dutzenden Regierungschef, den Präsidenten der wesentlichen internationalen Organisationen und den Vorständen hunderter globaler Konzerne ist das beschauliche Konferenzzentrum immer gut gefüllt. Für Unterhaltung wird ebenfalls gesorgt: Der Opernsänger José Carreras, der Schauspieler Robert de Niro und der indische Komponist A.R. Rahman (Filmmusik zu "Slumdog Millionaire") erhalten Auszeichnungen für die gemeinnützigen Stiftungen, die sie gegründet haben. Das Forum dauert von Mittwoch bis Sonntag. Finanziell getragen wird es angeblich von den 1.000 größten Unternehmen der Welt.