Interview mit Arbeitsrechtlerin Myriam Modrok
Immer wieder werden Mitarbeiter degradiert. Plötzlich verliert jemand die Verantwortung für das Projekt oder muss mit einem neuen Schreibtisch im Keller vorlieb nehmen. Das ist schon frustrierend. Doch müssen Arbeitnehmer Hierarchieabstufungen hinnehmen? Und umgekehrt: Wann dürfen Arbeitgeber ihren Angestellten Verantwortung entziehen? Rechtsanwältin Modrok kennt die Antworten.
Mandy Kunstmann: Werden Arbeitnehmer häufig herabgestuft?
Myriam Modrok: Degradierung ist eine sehr heikle Angelegenheit. In der Wirtschaft ist das mit Sicherheit ein Problem. Klagen deswegen gibt es jedoch selten.
Kunstmann: Warum ist das so?
Modrok: Generell ist die Schwelle einen Anwalt aufzusuchen für Viele sehr schwer zu überwinden. Dies kann zum einen an der Angst vor den möglicherweise entstehenden Kosten liegen oder daran, dass die Betroffenen sich dem Anwalt offenbaren müssen. Sie müssen darlegen, warum Sie degradiert worden sind, ob es vielleicht an der Leistung lag oder an der Person.
Kunstmann: Können sie denn gängige Beispiele nennen?
Modrok: Degradierung nimmt vielfältige Formen an. Klassisches Beispiel ist, dass ein Mitarbeiter in der Firmenhierarchie herabgestuft wird. Da wird der Abteilungsleiterin Macht entzogen, indem sie zur Sachbearbeiterin abgestempelt wird. Seltener kommen Lohnkürzungen vor. Hinter einer Degradierung kann sich auch Mobbing verstecken. Manchmal degradieren Arbeitgeber Angestellte aus persönlichen Gründen oder einfach aus Unwissenheit. Manch ein Chef glaubt, dass er das darf.
Kunstmann: Also ist es nicht erlaubt…?
Modrok: In der Regel nicht. Einem Angestellten kann lediglich eine andere Tätigkeit zugewiesen werden – im Zuge des Direktionsrechts. Arbeitgeber besitzen auf Grundlage des Arbeitsvertrages das Recht, Mitarbeitern Weisungen zu erteilen. Steht im Vertrag, dass der Elektriker anstelle in Stuttgart auch in Lindau eingesetzt werden kann, muss er eine Versetzung dorthin hinnehmen. Und heißt es, dass die Konditorin Gebäck herstellen soll, darf sie sich nicht weigern, anstelle von Kirschplunder auch mal eine Hochzeitstorte anzufertigen.
Kunstmann: Je enger die Tätigkeit im Arbeitsvertrag beschrieben ist, desto besser ist es also für den Arbeitnehmer.
Modrok: Das stimmt. Ein Unternehmen kann im Rahmen seiner Weisungsbefugnis einen Teamleiter nicht zu einem Sachbearbeiter zurückstufen, wenn der Arbeitsvertrag etwas anderes regelt – auch nicht, wenn der Konzern umstrukturiert werden soll. Hier könnte allenfalls eine Änderungskündigung in Betracht kommen
Kunstmann: Was ist unter einer Änderungskündigung zu verstehen?
Modrok: Eine Änderungskündigung ist eine Kündigung mit dem Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen. Stimmt der Arbeitnehmer der Änderung des Arbeitsvertrages nicht zu, wird das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist beendet. Da die Änderungskündigung eine Kündigung des bisherigen Arbeitsvertrages darstellt, finden bei Betrieben ab zehn Arbeitnehmern auch Kündigungsschutzvorschriften bei einer Änderungskündigung Anwendung. Des Weiteren bedarf auch die Änderungskündigung der Schriftform.
Kunstmann: Dürfen Vorgesetzte aufgrund von schlechter Leistung das Gehalt kürzen?
Modrok: Eine qualitativ oder quantitativ unzureichende Leistung des Arbeitnehmers führt grundsätzlich nicht zu dem Recht des Arbeitgebers, das Gehalt zu mindern. Kein Arbeitnehmer schuldet aufgrund des Arbeitsvertrages einen bestimmten Arbeitserfolg. Ausnahmen gelten nur bei tariflich vereinbarter Akkord- oder Prämienentlohnung, die ausdrücklich eine Lohnminderung erlauben. Der Arbeitgeber kann jedoch gegenüber seinem Mitarbeiter bei Schlechtleistung gegebenenfalls einen Schadensersatzanspruch geltend machen und diesen mit dem Lohn unter Beachtung der Grenze des Pfändungsfreibetrages aufrechnen.
Kunstmann: Muss eine Mitarbeiterin nach der Babypause eine minder qualifizierte Tätigkeit hinnehmen, weil der Chef meint, sie würde in der alten Position nicht mehr zurecht kommen?
Modrok: Nein. Die Mitarbeiterin muss zu den Bedingungen zurückkehren können, die im Arbeitsvertrag vereinbart sind. Allerdings nehmen Frauen nach der Babypause und andere Betroffene häufig eine Degradierung hin, da oftmals Unkenntnis hinsichtlich der dem Betroffenen zustehenden Rechte besteht. Hier kann bereits ein erstes anwaltliches Beratungsgespräch klären, ob das Vorgehen des Arbeitgebers zulässig ist .
Bio-Box: Myriam Modrok (36) ist seit 2009 Rechtsanwältin in der Anwaltskanzlei Feldmann im bayrischen Lindau. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Vertrags- und Arbeitsrecht.