Dicke Luft beim Klimaschutz

Elf 14- bis 27-Jährige reichen Verfassungsbeschwerde

Wieder einmal muss sich das Bundesverfassungsgericht mit Klimaschutz beschäftigen. Elf junge Menschen und die Deutsche Umwelthilfe reichen Verfassungsbeschwerde gegen das zentrale, gerade angepasste Gesetz ein. Sollten sie Recht bekommen, müsste die Klimapolitik in Deutschland deutlich verschärft werden. Das beträfe vor allem Gebäude, Industrie und Verkehr. Zwei weitere Beschwerden werden von Greenpeace, German Watch und anderen vorbereitet, sind aber noch nicht fertig.

Erst am Montag hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetznach langer Prüfung unterschrieben, seit diesem Mittwoch gilt es. Elf jungen Menschen im Alter von 14 bis 27 aus Berlin, Halle, München, Stuttgart und Überlingen am Bodensee reicht das nicht für ihre Zukunft. Deshalb geht an diesem Mittwoch beim Verfassungsgericht per Kurier eine Beschwerde ein. Auf 205 Seiten ist dargelegt, warum das Gesetz verfassungswidrig sein soll. Anwalt Remo Klinger sprach davon, dass das Gesetz entkernt sei und zentrale Forderungen des Bundesverfassungsgerichts nicht berücksichtige. Denn das Gesetz ist bereits eine überarbeitete Fassung.

Deutschland soll nach dem Willen der Politik bis 2045 klimaneutral sein. Das bedeutet: Die Menge an ausgestoßenem Treibhausgas, etwa CO2, soll drastisch sinken, fossile Brennstoffe wie Öl, Gas und Kohle weitgehend verbannt werden. Was sich nicht vermeiden lässt, muss ausgeglichen oder gespeichert werden. Ein entsprechendes Klimaschutzgesetz hatte der Bundestag auf Betreiben der Regierung, damals Union und SPD, 2019 verabschiedet.

Nach Verfassungsbeschwerden entschied das Bundesverfassungsgericht bereits im April 2021, das Teile nicht ausreichend seien. So endeten die Sparvorgaben in dieser Fassung 2030. Die Ampelregierung besserte zweimal nach, der Bundestag beschloss die letzte Fassung im Mai. Wichtig waren dem Verfassungsgericht konkrete Ziele und enge Kontrolle. Beides sieht Anwalt Klinger im überarbeiteten Gesetz in Teilen missachtet. Zudem bemängelt er zahlreiche handwerkliche Fehler.

„Die Ampelregierung verabschiedet sich mit dem Gesetz vom Klimaschutz“, formulierte Jürgen Resch, Hauptgeschäftsführer der Umwelthilfe. Besonders umstritten: Nach dem alten Gesetz mussten einzelne Bereiche wie etwa der Verkehr bestimmte Ziele einhalten. In der Neufassung muss nur insgesamt ein bestimmtes Ziel eingehalten werden. Das kommt vor allem den Bereichen Verkehr (Minister Volker Wissing, FDP) und Gebäude (Ministerin Klara Geiwitz, SPD) zugute, die bisher die Klimaziele gerissen haben.

„Die wichtigsten Änderungen verfolgen nur das Ziel, bis zum Jahr 2030 keine relevanten Klimaschutzmaßnahmen mehr beschließen zu müssen“, sagte Anwalt Klinger. „Damit sollen sowohl der aktuellen als auch der nächsten Bundesregierung weitere Maßnahmen erspart werden.“ Bei der übernächsten Regierung tauchten dann plötzlich übergroße Lasten auf. Mögliche Folge: Es trifft Haushalte und Industrie besonders stark. Umwelthilfe-Geschäftsführerin Barbara Metz mahnte für den Gebäudebereich weniger Bürokratie an, etwa, wenn jemand bereits bestehende Immobilien sanieren oder einen Zuschuss für eine Wärmepumpe beantragen wolle. Resch forderte, Dienstwagen, vor allem mit Verbrennungsmotor, nicht mehr zu fördern.

Neben der Verfassungsbeschwerde laufen noch mehrere Verfahren der Umwelthilfe gegen die Bundesregierung, was mit den komplizierten Abläufen zu tun hat. Das Klimaschutzgesetz soll den Rahmen vorgeben, das Klimaschutzprogramm dann festlegen, mit welchen Maßnahmen die jeweilige Bundesregierung handeln will. Nach dem alten Gesetz waren noch Sofortprogramme möglich, wenn ein Sektor gegen die Vorgaben verstieß.

Beim Verfassungsgericht liegt noch eine Beschwerde gegen das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung aus dem Oktober 2023. Das Bundesverwaltungsgericht muss sich mit Verfahren beschäftigen, die mit den Sofortprogrammen für Gebäude und Verkehr zu tun haben. Die Umwelthilfe hatte vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gewonnen, die Bundesregierung war in Revision gegangen.

Zwei weitere Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht zum Klimaschutzprogramm und zu natürlichen Senken hatte die Umwelthilfe Mitte Mai gewonnen. Die Urteilsbegründung steht noch aus. Anwalt Klinger erwartet, dass der Bund auch hier vor das Bundesverwaltungsgericht geht. Anfang Juli hatte die Umwelthilfe zudem bei Verwaltungsgericht Berlin geklagt, weil die Bundesregierung wiederholt nicht in der Lage war, den jährlichen Klimabericht zum Stand des Klimaschutzes fristgerecht zu erstellen.