Die Kunst der Sandale

Sind Birkenstocks vom Urheberrecht geschützt?

Regnerisch, grau, kühl beginnt der Tag in Karlsruhe, nicht gerade das richtige Wetter, um Birkenstock-Sandalen zu tragen. Dennoch ist das Schuhwerk Thema im Bundesgerichtshof. Vor dem 1. Zivilsenat geht es um die Frage, ob Karl Birkenstock die Modelle Arizona, Boston, Gizeh und Madrid künstlerisch gestaltet hat oder ob es schnöde Sandalen sind. Das Urteil kann Folgen für viele andere deutsche Firmen haben, die ikonische Produkte herstellen.

Das Unternehmen aus dem rheinland-pfälzischen Linz am Rhein hat gegen drei Firmen geklagt, die die Birkenstock-Klassiker aus den Sechzigern, Siebzigern und Achtzigern kopiert haben. Das kann rechtmäßig sein, muss es aber nicht. Entscheidend ist, ob es rechtlichen Schutz gibt. Und hier wird es kompliziert. Das Designrecht schützt 25 Jahre, danach kann im Prinzip jeder nachahmen. Im Birkenstock-Fall wäre eine Kopie kein Problem.

Anders beim Urheberrecht: Es schützt bis 70 Jahre nach dem Tod des Schöpfers. Allerdings muss das Produkt dafür erkennbar künstlerisch gestaltet sein. Oder, wie es Konstantin Wegner von der Kanzlei SKW Schwarz sagt, der Birkenstock vertritt: „Angewandte Kunst kann urheberrechtlichen Schutz genießen. Das betrifft Alltagsgegenstände, die so gestaltet sind, dass sie ein ikonisches unverwechselbares Design haben.“

Darum, wie viel künstlerische Schöpferkraft in den Sandalen steckt, geht es jetzt seit mehreren Jahren. Das Landgericht Köln gab Birkenstock recht, das Oberlandesgericht Köln der Gegenseite, den drei Firmen Tschibo, Schuh.de und dem Bekleidungsriesen Bestseller. Jetzt muss der BGH sich mit dem Thema befassen. „Gerade, dass die Sandalen so viel kopiert werden, zeigt das Schutzbedürfnis“, sagt Anwalt Wegner.

Seit etwa acht Jahren kämpft Birkenstock verstärkt gegen alle, die die Hauptprodukte nachahmen. Im Fall von Arizona, Boston, Gizeh und Madrid gebe es inzwischen mehrere tausend Seiten mit Gutachten und Ausführungen, sagt Steffen Schäffner, der im Unternehmen zuständig ist für geistiges Eigentum. „Die Produkte der anderen sind praktisch identisch nachgemacht. Dabei gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die Sandale zu gestalten.“

Sind also die Modelle mit dem Korkfußbett künstlerisch gestaltet? Oder hätte jeder auf das Design kommen können, weil es sich irgendwie anbietet? Die Richter entschieden nach der mündlichen Verhandlung am Donnerstag noch nicht. Einen ähnlichen Fall, der den deutschen Regalspezialisten USM betrifft, hatte das Gericht an den Europäischen Gerichtshof verwiesen. Für Birkenstock ist das Urteil besonders wichtig, auch wenn es nur für den deutschen Markt gilt. Denn: „Die Modelle sind für die Wahrnehmung der Marke Birkenstock prägend“, sagt Anwalt Wegner. Im Klartext: Wer Arizona sieht, denkt Birkenstock. Und nur die echte, teure Sandale bringt dem Unternehmen etwas.

Die Marke Birkenstock verbanden viele lange mit Gesundheitsschuhwerk. Die Sandalen sind beliebt bei medizinischem Personal. Jahrzehntelang teilte das Design die Menschen grob in jene, die es als hässlich empfanden, und jene, die große Fans waren. Die Hippies der Siebziger zum Beispiel. Inzwischen hat sich die Marke auch weit entfernt vom Bild des deutschen Urlaubers in weißen Tennissocken und Birkenstock-Sandalen. Dem Unternehmen gelang es, die Schuhe in ein gefragtes Modeprodukt zu verwandeln. Im Kinofilm Barbie trägt die Hauptfiguren die Sandalen in Pink – und anders als viele Unternehmen, deren Produkte zu sehen sind, hat Birkenstock weder etwas bezahlt noch den Film kostenlos ausgestattet.

Die Chancen erkannte Frankreichs Luxusunternehmer Bernard Arnault und sein Konzern LVMH (Louis Vuitton, Tiffany, Dior). Sie kauften 2021 direkt und indirekt die Mehrheit von den Erben der Gründerfamilie, brachten Birkenstock 2023 in den USA an die Börse. Und das Geschäft mit den Sandalen läuft. Vor allem in Asien baut Birkenstock kräftig aus. Im Geschäftsjahr 23/24 (30. September) setzte das Unternehmen 1,8 Milliarden Euro um, ein Plus von 21 Prozent. Der Gewinn stieg sogar um 155 Prozent auf 192 Millionen Euro.

Insgesamt verkaufte das Unternehmen 34,1 Millionen Paar Schuhe, 14 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Alle produziert in den deutschen Werken. Besonders beliebt trotz aller Sonderauflagen in Gold oder mit Fell und Plüsch sind die Birkenstock-Klassiker, um die es vor dem BGH geht. Mit etwas Glück ist der Fall entschieden, bis sich das Wetter wieder für Sandalen eignet – Hersteller egal.