Zur schwierigen Einführung des neuen Benzins E10 sagt Umwelt-Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser: „Wenn die Verbraucher die notwendigen Informationen erhalten, kommen wir einen Riesenschritt weiter“
Hannes Koch: Frau Heinen-Esser, vor dem Benzin-Gipfel hat die FDP verlangt, die Einführung des neuen Sprits mit zehn Prozent Ethanolanteil zu verschieben. Wäre das ein gutes Ergebnis der heutigen Veranstaltung?
Ursula Heinen-Esser: Nein. Wenn wir unsere wohl begründete Strategie jetzt änderten, würden wir die Autofahrer komplett verunsichern. Stattdessen sollten wir die Einführung von E10 mit einer breiten Informationskampagne begleiten, damit die Bürger genau wissen, woran sie sind. Dabei sollte es eine klare Arbeitsteilung geben: Die Politik muss erklären, dass wir Biokraftstoffe wollen, um unsere Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren, dass sie nachhaltig produziert werden und dem Klima nützen. Die Mineralölwirtschaft muss das Misstrauen gegenüber dem eigenen Produkt abbauen.
Koch: Der ADAC fordert, das Kraftfahrt-Bundesamt solle die Autofahrer einzeln anschreiben, um ihnen mitzuteilen, ob ihr Fahrzeug E10 verträgt oder nicht. Richtig oder falsch?
Heinen-Esser: Das ist eine von mehreren guten Ideen, über die beim Benzin-Gipfel gesprochen wird.
Koch: Die Autofahrer glauben nicht an die Vorteile des neuen Benzins. Ist die Biokraftstoff-Strategie der Bundesregierung angesichts dieser Probleme nicht bereits gescheitert?
Heinen-Esser: Keineswegs. Wenn die Verbraucher die notwendigen Informationen erhalten, kommen wir einen Riesenschritt weiter. Dabei sind jetzt aber auch die Mineralölwirtschaft und die Autohersteller gefordert. Umweltminister Röttgen hat bereits sehr früh im vergangenen Jahr das Gespräch mit der Wirtschaft gesucht. Warum sie trotzdem nicht für ihr Produkt geworben hat, insbesondere direkt an den Tankstellen, ist uns schleierhaft.
Koch: Zum Glaubwürdigkeitsproblem trägt bei, dass der ökologische Vorteil des Ethanol-Benzins nicht erwiesen ist.
Heinen-Esser: Das wird immer wieder fröhlich behauptet. Ich verstehe nicht, worauf dieses Argument fusst. Die Europäische Union hat ja festgelegt, dass wir nur solche Biokraftstoffe verwenden, die mindestens 35 Prozent Kohlendioxid im Vergleich zu Benzin auf Erdölbasis vermeiden.
Koch: Trotzdem warnt der Sachverständigenrat für Umweltfragen, das Beratungsgremium der Bundesregierung, vor E10. Der Beitrag zum Klimaschutz sei fraglich.
Heinen-Esser: Das sehen wir anders. Das Biobenzin darf laut EU-Verordnung auch nicht von Flächen stammen, auf denen die Vielfalt der Ökosysteme bedroht wäre oder große Mengen von Kohlenstoff aus dem Boden freigesetzt werden könnten. Außerdem helfen Pflanzenkraftstoffe, die gigantischen Schäden des Erdöl-Abbaus zu verringern. Unfälle wie bei der BP-Plattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko werden unwahrscheinlicher, je mehr Biobenzin wir nutzen.
Koch: Hat der Biosprit, den die deutschen Autofahrer tanken, wirklich die hohe ökologische Qualität, den die EU-Verordnungen vorschreiben?
Heinen-Esser: Ja. Mittels der Zertifikate, die die Unternehmen nachweisen müssen, können wir bis zu den Landwirtschaftsbetrieben in Brasilien oder Indonesien zurückverfolgen, ob die Vorschriften für den Klimaschutz eingehalten wurden.
Koch: Auf Äckern mit Treibstoffpflanzen kann man keine Nahrungsmittel anbauen. Wenn der Lebensmittelbedarf der Weltbevölkerung steigt, führt dies dazu, dass Urwälder gerodet werden. Das widerspricht dem Anliegen des Klimaschutzes.
Heinen-Esser: Das ist ein ernstes Problem, das wir angehen müssen. Noch ist nicht klar, wie groß diese Verdrängungseffekte sind. Die Bundesregierung will aber auf europäischer Ebene durchsetzen, dass künftig nur Agrarprodukte verwendet werden, bei deren Herstellung es nicht zur Verdrängung von Nahrungsmitteln kommt.
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Ursula Heinen-Esser
Die 45jährige Volkswirtin und CDU-Politikerin aus Köln ist Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Nobert Röttgens. In der vergangenen Legislaturperiode arbeitete sie in gleicher Funktion im Verbraucherministerium.
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http://www.bmu.de/mediathek/fotogalerien/leitung/doc/46278.php
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E10-Einführung wackelt
Ob das neue Benzin mit einem Anteil von zehn Prozent Bioethanol (E10) weiter, wie bisher geplant, an den Tankstellen eingeführt wird, stand vor dem heutigen Regierungsgipfel in den Sternen. E10 ist Teil der EU-Strategie zur Reduzierung der Klimabelastung des Verkehrs um zehn Prozent bis 2020. Die Tankstellen müssen den umweltfreundlicheren Sprit zwar nicht anbieten – Hersteller und Regierung waren sich aber bisher einig, dass E10 ein gewünschter Beitrag zum Klimaschutz sei.
Die FDP forderte am Montag demgegenüber, die Einführung zu unterbrechen. Mitarbeiter von Bundesumweltminister Nobert Röttgen wollten jedoch daran festhalten, dass möglichst viele Tankstellen E10 verkaufen.
Sollten die Teilnehmer des „Benzin-Gipfels“ – unter anderem auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, ADAC und Vertreter der Wirtschaft – am bisherigen Plan festhalten, werden die Autofahrer wohl bald zusätzliche Informationen erhalten – nicht zuletzt darüber, welche Fahrzeuge den Biosprit nicht vertragen.