Die Demokratie muss nach Europa

Kommentar zum Euro-Rettungsfonds von Hannes Koch

Völlig Unrecht haben die Euro-Skeptiker nicht. Grundsätzlich hat der Bundestag zwar weiterhin das Heft in der Hand und kann den Milliarden-Rettungspaketen für verschuldete Euro-Staaten die Zustimmung verweigern. Und im Zusammenhang mit dem neuen Vertrag für den Rettungsfonds, den Finanzminister Schäuble jetzt vorgelegt hat, lässt sich der Bundestag vermutlich noch weitere Mitwirkungsrechte zusichern. Aber wird er davon im Extremfall auch Gebrauch machen? Würden die Abgeordneten wirklich „Nein“ sagen und beispielsweise Spanien dem Staatsbankrott ausliefern?

Unwahrscheinlich. Deshalb ist das Argument nicht ganz falsch, die Macht verlagere sich wieder einmal ein Stück mehr auf die europäischen Institutionen. Die nationalen Parlamente spielen eine geringere Rolle, während die Exekutive, in diesem Fall der Rettungsfonds EFSF, Einfluss gewinnt.

Einerseits ist das nicht erstaunlich, sondern notwendig. Eine Gruppe von 17 Staaten wie die Eurozone kann nicht riskieren, dass ihre gemeinsame Politik von Minderheiten aus einem der Mitgliedsländer ständig blockiert wird. Europa kann nicht funktionieren, wenn die „wahren Finnen“ oder Ursula von der Leyen Griechenland nur unter der Voraussetzung helfen wollen, dass Athen seine Goldreserven verpfändet.

Andererseits müssen wir einen Weg finden, um das demokratische Defizit zu beheben, das Europa heute noch auszeichnet. Wenn schon der Einfluss der Nationalparlamente abnimmt, sollte man das Europäische Parlament aufwerten. Dieses muss die zentrale demokratische Instanz werden, die das Haushalts- und Steuerrecht der Bürger gegenüber den Regierungen durchsetzt. Dass das Europäische Parlament bei den Krisenmaßnahmen heute fast nichst zu sagen hat, ist ein Unding. Wenn Europa stabil bleiben und gleichzeitig den Bürgern lebenswert erscheinen soll, müssen wir die Demokratie aus den Nationalstaaten nach Strassburg holen.