Minister halten Rohkostwarnung aufrecht

Höhepunkt der Ehec-Ausbreitung könnte überschritten sein / Hinweise auf Sprossenbetrieb als Keimzelle der Krankheit verdichten sich / Bauern können auf zusätzliche Millionenhilfe hoffen

Kritik am Krisenmanagement von Bund, Ländern und nachgeordneten Behörden wollte nach einem Treffen aller Beteiligten mit EU-Gesundheitskommissar John Dalli niemand wagen. „Wir müssen die Lektion aus diesem Ausbruch lernen“, sagte der Malteser lediglich, nachdem die EU Deutschland zuvor heftig kritisiert wegen der Kommunikationspolitik und einem mangelnden internationalen Austausch der Erkenntnisse zum Krankheitserreger Ehec kritisiert hatte. Nun wird der Streit vertagt, bis die Krise bewältigt ist. Stattdessen lobte der Kommissar die Arbeit der hiesigen Behörden sogar. Alle Anstrengungen müssten nun darauf gerichtet werden, die Quelle der Keime zu identifizieren, verlangte Dalli.

Dabei sind die Gesundheitsbehörden offenkundig ein Stück weit vorangekommen. Es verdichten sich die Hinweise auf die bereits bekannten Sprossenzucht in Niedersachsen. „Acht verschiedene Krankheitscluster können auf den Betrieb im Landkreis Uelzen zurückgeführt werden“, sagte Verbraucherministerin Ilse Aigner. Dabei konnte in den untersuchten Proben aus Bienenbüttel bisher kein Erreger nachgewiesen werden. Das wird womöglich auch nie der Fall sein, weil die verseuchten Chargen längst verbraucht worden sind. Aber drei Beschäftigte des Betriebs sind erkrankt und auch Gäste von Restaurants, die der Hof mit Sprossen beliefert hatte.

Da der eindeutige Nachweis fehlt, halten Bund und Länder an ihren Warnungen fest. Die Konsumenten sollen bundesweit auf den Genuss von rohen Tomaten, Gurken, Blattsalaten und Sprossen verzichten. „Wir müssen die Empfehlung aufrecht erhalten“, betonte Gesundheitsminister Daniel Bahr und verwies auf den schweren Verlauf der Epedemie. Mittlerweile sind 25 Menschen an dem durch den Ehec-Erreger ausgelösten Krankheitssyndrom HUS gestorben. „Weitere Todesfälle sind nicht auszuschließen“, befürchtet Bahr. 670 HUS-Patienten liegen noch in den Kliniken. 1.900 Menschen sind infiziert.

Das zuständige Robert-Koch-Institut und die Gesundheitsbehörden der Länder suchen die Keimzelle der Krankheit auf verschiedenen Wegen. Ein Ansatzpunkt sind regionale Schwerpunkte, wenn zum Beispiel viele Patienten im gleichen Restaurant gegessen haben. Auch werden Betriebe, die Vorprodukte für Verpflegungseinrichtungen herstellen, besonders überprüft. Außerdem erforschen die Experten die Ernährungsgepflogenheiten der betroffenen Patienten zur Ermittlung von Gemeinsamkeiten. Bremens Gesundheitssenatorin Ingelore Rosenkötter spricht von einem gut eingespielten System, obgleich die Kritik an den komplizierten Zuständigkeiten bei Bund und Ländern immer lauter wird.

Gesundheitsminister Bahr zeigt sich trotz der nach wie vor schwierigen Lage zuversichtlich. „Es gibt Anlass zum Optimismus, dass wir das Schlimmste jetzt hinter uns haben“, sagte der FDP-Politiker. Tatsächlich nimmt die Zahl der gemeldeten Neuerkrankungen momentan ab.

Misslich bleibt die Lage für die Bauern und den Handel. Gurken, Tomaten und Salat verkauft sich praktisch nicht mehr. Die EU hat deshalb bereits ein Hilfsprogramm im Umfang von 150 Millionen Euro angekündigt. Aigner zufolge wird die Summe aber wohl noch einmal aufgestockt.

Wirtschaftliche Sorgen belasten durch den großen Behandlungsaufwand auch jene Krankenhäuser in Norddeutschland, die sich um die Ehec-Patienten kümmern. Das Gesundheitsministerium hält die Klagen allerdings für unbegründet. Die Kliniken bekämen die Kosten von den Krankenkassen ersetzt, versicherte Bahr. Die Fallpauschalen würden die Vergütung der Kliniken sicherstellen.