E-Mobile bleiben aber die Ausnahme auf den Straßen. Wissenschaftler rechnen nur mit bis zu 250.000 Fahrzeugen jährlich 2020
Ist Ihr Sohn 16 Jahre alt und technisch interessiert? Dann gibt es einen sicheren Jobtipp für ihn: Elektroauto-Ingenieur. Die Forschungsabteilung der Deutschen Bank und das Institut der Deutschen Wirtschaft prognostizieren, dass hiesige Unternehmen um 2020 jährlich 26.000 Ingenieure und andere Akademiker einstellen. Die Automobil-Branche werde den Bedarf an Entwicklern für die elektrischen Autos der Zukunft kaum decken können.
Anlässlich der am Dienstag beginnenden Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt/ Main warfen die Experten einen Blick weit voraus. „Um die Elektroautos zu bauen, brauchen die Ingenieure komplett neue Kompetenzen“, sagte Ökonom Oliver Koppel vom IW. Gesucht würden später unter anderem studierte Spezialisten für neue Werkstoffe und Elektrochemie – Qualifikationen, die der gegenwärtige Automobilbau noch wenig benötige. Besonders gute Chancen haben dabei technikbegeisterte junge Frauen: Wie für andere Ingenieurberufe interessieren sich auch für die Elektromobilität bislang überwiegend Männer.
Umgekehrt proportional zu diesen guten Berufsaussichten verhält sich die verkehrspolitische Bedeutung der künftigen Elektrofahrzeuge. Denn IW und Deutsche Bank halten die Absicht der Bundesregierung, bis 2020 rund eine Million Öko-Autos auf die deutschen Straßen zu bringen, für schwerlich erreichbar. Im Gegenteil werde das „Elektroauto auch noch 2020 ein Nischenprodukt“ sein. Das Verkehrsministerium wollte sich dazu am Montag nicht äußern.
Die Institute rechnen mit einem Anteil der E-Fahrzeuge von drei bis acht Prozent an den Neuzulassungen im Jahr 2020. Das wären etwa 90.000 bis 240.000 neue E-Fahrzeuge pro Jahr im Vergleich zu rund drei Millionen konventionellen Neu-Pkw. Gemeint sind hier batteriebetriebene E-Mobile, die keinen Verbrennungsmotor mehr brauchen. Hybrid-Fahrzeuge mit einem kombinierten Antrieb aus Benzin und Elektroaggregaten kämen noch hinzu.
Ohne staatliche Förderung kann selbst der untere Wert von 90.000 Fahrzeugen kaum erreicht werden, lautet die Ansage der Experten. Ein höherer Anteil an E-Mobilen lässt sich demnach nur erreichen, wenn der Staat jedes Öko-Gefährt mit mehreren tausend Euro subventioniert. Als Plädoyer für eine großzügige Förderung wollten IW und Deutsche Bank ihre Einschätzung aber nicht missverstanden wissen.
Das Problem der Elektrofahrzeuge ist schlicht dieses: Sie sind viel teurer als entsprechende konventionelle Autos. Vergleicht man beispielsweise einen Kleinwagen des Typs Toyota Aygo (11.000 Euro Listenpreis) mit dem Elektro-Konkurrenten Mitsubishi i-MiEV (34.000 Euro), ergibt sich für letzteren ein so hoher Kostennachteil, dass er sich erst ab einer Fahrleistung von 300.000 Kilometern durch die Benzinkosten-Ersparnis amortisiert. Ob das E-Auto so lange durchhält, darf man bezweifeln.
Die technische Hürde steht im Bereich der Batterie-Technik. Heute sind die Kraftpakete, die die Energie der Elektro-Autos liefern, zu schwer und zu teuer. „Der Preis der Batterien müsste um 70 Prozent sinken, ihre Speicherfähigkeit verdoppelt werden“, sagte IW-Ökonom Thomas Puls. Das ist eine große Herausforderung, die zu meistern die Unternehmen noch einige Jahren brauchen.
Die Institute schätzen die Zukunft der Elektro-Fahrzeuge trotzdem als aussichtsreich ein. Vorteile sind beispielsweise, dass die Klimabelastung und der Verbrauch von zunehmend teurem und knappen Erdöl sinkt und die Energieausbeute der Motoren höher ist. Allerdings warnen die Wissenschaftler die Autombil-Hersteller davor, zu schnell zu viel Geld in die neue Technologie zu investieren. Wegen der vorläufig geringen Absatzzahlen sei es möglicherweise besser, noch einige Jahre ins Land gehen zu lassen, bevor man in die Produktion größerer Stückzahlen einsteige.
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Elektroautos heute
Auf den Freeways in Kalifornien kann es schon einmal passieren, dass man von einem vollständig elektrisch betriebenen Tesla-Sportwagen überholt wird. Elektrofahrzeuge ohne Verbrennungsmotor, die ausschließlich mit Batterien fahren, sind aber noch die absolute Ausnahme. In Deutschland waren Anfang 2011 erst 2.307 E-Autos angemeldet. Die Zahl der Hypridfahrzeuge mit einer Kombination aus Strom- und Benzinmotor (etwa Toyota Prius) betrug 37.256. Zum Vergleich: Insgesamt fahren in Deutschland rund 42 Millionen Pkw. Aber die großen Hersteller bieten allmählich mehr Hybrid-Fahrzeuge an. So startet bald der Verkauf des Opel Ampera, der überwiegend elektrisch fährt. Sein Benzinmotor dient dazu, die Reichweite auszudehnen. Und Daimler will einen E-Smart ab kommendes Frühjahr anbieten. Die Preis soll 23.000 Euro betragen plus Leasinggebühr für die Batterien. Konventionelle Smarts bekommt man heute ab 10.200 Euro.