Es bewegt sich was

Nach langem Geht-schon wird die Bahn umgebaut

Es sind wilde Tage bei der Bahn. Zugausfälle, Verspätungen, unzufriedene Mitarbeiter, schwächelnder Güterverkehr, fehlende Milliarden. Zahlreiche Politiker, Gewerkschafter, Unternehmer melden sich mit Ideen zu Wort. Es soll gespart werden, gleichzeitig investiert, weil das Netz so marode ist, das sich das nicht mehr übersehen lässt. Das Ganze wirkt chaotisch, ist aber ein gutes Zeichen.

Denn endlich passiert etwas beim Staatskonzern Bahn. Jahrzehntelang haben die Bundesregierungen und Verkehrsminister mit der Bahn als Verkehrsmittel und Transportkonzept wenig anzufangen gewusst. Außer man konnte glänzen. Oder sparen. Oder musste Versorgungsposten verteilen. Irgendwie fuhren die Züge ja.

Da ging es mal um städtebauliche Visionen, wie Mitte der Neunziger Jahre, als die großen Kopfbahnhöfe in Frankfurt, München und Stuttgart zu tiefergelegten Durchgangsbahnhöfen umgebaut werden sollten. Sah super aus, Bahn und damaliger Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) ließen sich dafür auf der Architekturbiennale in Venedig feiern. Das Milliardengrab Stuttgart 21 zeigt, dass man von Visionen lieber die Finger lassen sollte.

Oder es ging nur um Geld: Anfang der 2000er sollte die Bahn an die Börse. Gerhard Schröder (SPD), damals Bundeskanzler, wollte, dass der Staat den Kostenblock zumindest zum Teil los wird. Manager Hartmut Mehdorn zog alle (Spar-)Register, nur um doch nicht an die Börse zu gehen. Sein radikales Programm ist einer der Gründe für die Misere heute.

Womit sich niemand so richtig beschäftigt hat, auch wenn es jeder Verkehrsminister von Reinhard Klimmt über Wolfgang Tiefensee (beide SPD) und Peter Ramsauer bis Andreas Scheuer (beide CSU) gern ankündigte: Welche Rolle soll die Bahn spielen – für die Wirtschaft, die Bevölkerung, das Land? Das ist jetzt anders. Erstmals seit langer Zeit gibt es mit Volker Wissing (FDP) einen Verkehrsminister, der sich tatsächlich auch um den Staatskonzern kümmert.

Die Bahn ist für das deutsche Klimaschutzprogramm unerlässlich. Sie transportiert umweltfreundlicher als Auto, Lkw und Flugzeug. Für die Menschen ist sie ohnehin wichtig. Sie verzeichnet so viele Fahrgäste wie noch nie, obwohl die Züge derzeit katastrophal verspätet unterwegs sind, Klimaanlagen und Toiletten ausfallen und der Bordgastronomie mal wieder das Personal wegen Verspätung eines anderen Zuges fehlt.

Die Bundesregierung pumpt so viel Geld wie noch nie in den Bahnkonzern, um das Unternehmen überhaupt arbeitsfähig zu halten. Und erstmals seit langer Zeit nimmt der Bund auch die Kontrollfunktion im Aufsichtsrat war. Denn den Konzern kann nicht ein Verkehrsminister oder die Bundesregierung sanieren, dafür sind die Manager zuständig. Und die müssen jetzt tatsächlich konkret ran. Das Sanierungskonzept S3 des Vorstands um Chef Richard Lutz soll den radikalen Wandel bringen, wirkt aber in Teilen immer noch mehr wie politisches Lavieren als unternehmerisches Handeln. Sehr wahrscheinlich muss da nachgebessert werden.

Diesmal muss es auch funktionieren. Die Bahn ist so heruntergefahren, dass alle gezwungen sind, zu handeln. Dafür muss diskutiert werden, intern und auch öffentlich, schließlich geht es um sehr viel Geld der Steuerzahler. Unternehmen und Politik sind gerade dabei. Das nachrichtliche Chaos beweist es. Und in ein paar Jahren fahren die Bundesbürger dann hoffentlich wieder pünktlich mit einem der modernsten Bahnkonzerne Europas.