Eigentlich müssten nicht nur die Staaten, sondern auch die Bürger sparen
Mit Fantastillionen versuchen Angela Merkel und die anderen europäischen Regierungschefs der Schuldenkrise zu begegnen. Die Volksvertreter im Bundestag haben am Mittwoch zugestimmt. Ist damit jetzt endlich alles gut – oder gibt es etwa noch Fragen, die trotzdem der Klärung harren?
Können wir weiter Schulden machen?
Wir tun oft so, als würden die Regierungen – inklusive der deutschen – Schulden aufnehmen im Auftrag namenloser Mächte. Die über 2.000 Milliarden Euro, mit denen Deutschland in der Kreide steht, sind aber uns, den Bürgern, zugute gekommen. Davon wurde alles mögliche bezahlt: neue Schulen, Gehälter für Polizisten, Straßen, ein Teil der Rente der Großmutter, das schöne Spaßbad am Stadtrand. Manche dieser Annehmlichkeiten hätten wir uns eigentlich nicht leisten dürfen, weil die Einnahmen unseres Staates dafür nicht reichten. Was nun? Es gibt eine Möglichkeit: Eigentlich müssten wir auf etwas Wohlstand verzichten. Konkret: Die Regierungen geben weniger aus oder erhöhen die Einnahmen – mehr Steuern, Sozialbeiträge, Gebühren.
Sind die Europäer handlungsfähig?
In ihrer Regierungserklärung am Mittwoch sagte Merkel, Europa müsse sich zur „Stabilitätsunion“ entwickeln. Bisher erfüllt die EU diesen Anspruch nicht. Obwohl im Maastricht-Vertrag theoretisch verboten, haben sich viele Euro-Mitglieder, auch Deutschland, immer wieder zu hoch verschuldet. Wer das künftig verhindern will, muss einen harten Mechanismus einführen. Automatische Geldstrafen könnten Regierungen von zu hoher Verschuldung abhalten, oder auch ein entsprechendes Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof.
Brauchen wir ein anderes Bankensystem?
Die Grünen haben am Mittwoch einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem sie eine „Schuldenbremse für Banken“ vorschlagen. Nicht nur die Oppositionspartei, auch manche Ökonomen und sogar die EU-Kommission denken ähnlich: Sie halten die Verschuldung der Geldinstitute für gefährlich hoch. Wenn Banken aber verpflichtet werden, größere Geldreserven anzulegen, kann das auch heißen, dass sie weniger Kredite vergeben. Will eine Familie sich das Geld für die neue Eigentumswohnung leihen, könnte es künftig heißen: Den Kredit über 200.000 Euro bekommen Sie nur, wenn Sie 50.000 Euro Eigenkapital vorweisen. Weniger Bankenverschuldung könnte so auch für viele Bürger Verzicht bedeuten. Wollen wir das?
Reicht das Geld gegen die Schuldenkrise?
Bis zu 1.000 Milliarden Euro stehen Europa bald zur Verfügung, um die Schuldenkrise zu bekämpfen. Eine riesige Summe – ungefähr das Doppelte sämtlicher deutscher Steuereinnahmen eines Jahres. Warum so viel? Die Regierungen wollen die globalen Investoren, Banken und Hedgefonds beeindrucken und Ihnen sagen: Lasst es sein, auf die Pleite eines Euro-Landes zu wetten – wir haben mehr Geld als ihr. Möglicherweise klappt diese Strategie, vielleicht aber auch nicht.
Kann der Euro-Fonds große Staaten stützen?
Wenn beispielsweise Italien kein Geld mehr bei Investoren leihen könnte, stieße auch der neue 1.000-Milliarden-Fonds an seine Grenze. Deswegen empfiehlt etwa Ökonom Gustav Adolf Horn, dass die Europäische Zentralbank erklären solle, „notfalls unbegrenzt“ Geld zur Verfügung zu stellen. Das allerdings widerspricht der Konstruktion und dem Selbstverständnis der EZB. Bisher ist es nicht Aufgabe der Notenbank, verschuldete Staaten mit beliebigen Summen zu finanzieren, sondern die Geldwertstabilität des Euro zu sichern und Inflation zu verhindern. Bei der US-Notenbank Federal Reserve ist das anders. Deren Aufgaben sind weiter gespannt, sie muss auch auf niedrige Arbeitslosigkeit achten. Deshalb gibt die FED sehr große Summen aus – was aber auch eine Gefahr beinhaltet: Es führt zur Inflation, etwa in der Form der Hauspreis-Blase von 2007.