Ab 2012 soll eine europäische Ratingagentur Bewertungen für verschuldete Staaten herausgeben
Der Ruf der mächtigen Ratingagenturen hat gelitten. Auch beim deutsch-französischen Gipfel zur Schuldenkrise kommt die Kritik an den Bewertungsfirmen zur Sprache. Die gute Nachricht: Wenn alles glatt geht, bekommt das Oligopol der drei beherrschenden Agenturen ab 2012 eine europäische Konkurrenz.
Bisher tragen die Urteile von Standard & Poor´s, Moody´s und Fitch erheblich dazu bei, welche Zinsen die Staaten für ihre Verschuldung zahlen müssen. Senken die Agenturen ihre Bonitätsnoten, steigen die Zinsen und bringen Länder wie Griechenland und Portugal näher an der Bankrott. Die Schuldenkrise verschärft sich. Diesen Effekt wollen viele Politiker, auch die Bundesregierung, nicht mehr länger einfach hinnehmen.
Mit Wohlwollen betrachten sie deshalb, was sich zwischen Frankfurt und München abspielt. Im Kontakt mit Frankfurt Main Finance, einer Lobbyorganisation der Finanzwirtschaft, betreibt die Unternehmensberatung Roland Berger die Gründung einer neuen europäischen Ratingagentur, die die Bewertungen der drei in den USA und Großbritannien beheimateten Firmen relativieren soll.
„Ab 2012 soll die Agentur Rankings für Staaten herausgeben“, sagt Markus Krall von Roland Berger. „Wir machen gute Fortschritte bei der Gründung – auch begünstigt durch die politische Debatte.“
Der Sinn der neuen Agentur bestehe unter anderem darin, das „Oligopol der herrschenden Firmen aufzubrechen“, so Krall. Die Bewertung von Staaten, Banken und Unternehmen solle nach transparenteren Kriterien erfolgen, als das zur Zeit bei den drei angelsächsischen Agenturen der Fall sei. Die europäische werde eine „gläserne Agentur“ sein, die alle Informationen veröffentliche, um zu zeigen, wie und warum sie gute oder schlechte Noten vergebe. „Wir stellen uns vor, dass beispielsweise auch die Lebensläufe der Analysten publiziert werden, um Interessenkonflikte zu vermeiden“, sagt Krall.
Fragwürdige Ratings wie kürzlich im Falle Portugals sollen dann seltener sein. Die Agenturen stuften die Noten für portugiesische Staatsanleihen im vergangenen März stark herab, obwohl die Regierung in Lissabon ein hartes Sparprogramm beschlossen hatte und die ökonomischen Kennzahlen des Landes nicht schlechter ausfielen als die der USA. Die Folge: Die Zinsen stiegen massiv und Portugal konnte sich den Verkauf weiterer Staatsanleihen wegen der hohen Kosten nicht mehr leisten. Das Land musste Hilfen beim europäischen Rettungsfonds EFSF beantragen, für die nun auch Deutschland geradesteht.
Die schlechte Einstufung Portugals findet Krall fragwürdig. Anders sehe es dagegen beim überschuldeten Griechenland aus. In diesem Fall hätte selbst eine neue europäische Agentur kein positives Urteil fällen können, sagt der Roland-Berger-Mitarbeiter. „Ratings, die niemals kontrovers diskutiert werden, wird auch die europäische Agentur nicht liefern. Das ist auch nicht der Zweck der Übung“, so Krall.
Wie aber will man gewährleisten, dass die neue Ratingagentur nachvollziehbare Kriterien anwendet und weniger handwerkliche Fehler macht? Das Gebot der größeren Transparenz solle in den Statuten niedergelegt werden, sagt Krall. Außerdem plane man, dass die Agentur auch Haftung für ihre Produkte, die Ratings, übernehme. Ob die Teilhaber der europäischen Ratingagentur, zu der möglicherweise auch die Deutsche Bank und die Deutsche Börde gehören werden, diese Ziele teilen, muss die Zukunft zeigen.