Fernbeziehung mit Kollegen

Moderne Technik macht arbeiten über lange Distanzen möglich/ Chats, Telefon- oder Videokonferenzen bergen zahlreiche Tücken

Ein Chat mit dem Projektverantwortlichen in London, eine Videokonferenz mit dem Chef in Tokio: Bereits ein Drittel der Fach- und Führungskräfte arbeitet über die ganze Welt verteilt. Das hat eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmen ComTeam ergeben. Für Firmen ist die sogenannte virtuelle Teamarbeit Chance und Herausforderung zugleich.

Der entscheidende Fallstrick virtueller Zusammenarbeit liegt in den  langen Distanzen. „Bewährte Muster wie physische Präsenz oder Statussymbole wirken hier nicht mehr“, sagt Studienleiter Lorenz Forchhammer. „Fehlt die persönliche Verbindung, mangelt es häufig an Vertrauen in die andere Person“, beobachtet die Berliner Organisations- und Personalberaterin Liane Dannenberg-Schütte.

Doch gerade Vertrauen braucht es, wenn ein Projekt gelingen soll. Wichtig ist es deshalb, eine klare Team-Identität zu schaffen. Das muss der Team-Chef in die Hand nehmen. „Er kann dafür sorgen, dass sich die Mitarbeiter am Anfang des Projekts kennen lernen“, so Beraterin Dannenberg-Schütte. Wenn man wisse, wie das Gegenüber ticke, würden Kommunikationsprobleme seltener auftreten. 

Vieles spielt sich bei virtueller Zusammenarbeit im Zwischentonbereich ab. Mimik, Gestik oder die Stimmung der Beteiligten fallen weitestgehend aus. „Am Telefon und bei schlechter Bildqualität kann man nicht sehen, ob ein Teilnehmer gerade die Gesichtszüge entgleisen, weil er mit einem Vorschlag nicht einverstanden ist“, so ComTeam-Vorstand Forchhammer. Hier müsse nachgehakt werden. Die Frage muss lauten: Und wie sehr bist Du einverstanden mit dem Vorschlag?

Weitere Hürde: Agieren Teams weit voneinander entfernt, bekommen sie nicht mit, was die anderen tun, was deren Probleme sind und was sie leisten. „Da denken die einen, die anderen würden die ganze Zeit nur Däumchen drehen oder Quatsch machen“, erläutert Dannenberg-Schütte. Klare Aufgaben- und Zieldefinitionen sind hier wichtig.

Für Unternehmen bedeutet virtuelle Kommunikation eine große Chance: Sie bringt Tempo in Projekte, was Geld spart. Die Betroffenen begegnen der Technik zwiespältig: 80 Prozent der insgesamt 447 Befragten der ComTeam-Studie erwarten künftig eine starke Belastung durch die ständige Präsenz, die Smartphones oder Laptops ermöglichen. Fast ebenso viele befürchten eine Informationsüberflutung.

Gleichzeitig bedeuten die neuen Arbeitsformen für die Studienteilnehmer mehr Freiheit, besseres Wissensmanagement und schnellere Ergebnisse. „Belastungen einerseits, Freiheit andererseits sind zwei Seiten einer Medallie“, sagt Untersuchungsleiter Forchhammer. Sein Rat: Unternehmen sollten einen klaren Rahmen für die Nutzung neuer Kommunikationsformen setzten.

Gerade prüft das Bundesarbeitsministerium, ob die Arbeitsschutzgesetze noch zeitgemäß sind und Arbeitnehmer ausreichend vor Stress durch moderne Technik schützen. Einige  Unternehmen haben bereits Maßnahmen gegen das Dauer-Stand-by ergriffen. So hat der Autokonzern VW unlängst mitgeteilt, dass Mitarbeitern eine halbe Stunde nach Dienstende keine E-Mails mehr auf ihre Smartphones weitergeleitet werden. Und BMW erwartet nicht, dass am Wochenende auf Mails reagiert wird.