Studie: Erfolg im Berufsleben ist schon in jungen Jahren vorhersagbar
Ambitionierter Manager oder alkoholkranker Arbeitsloser: Beruflicher Erfolg lässt sich schon in der Kita vorhersagen. Wer in jungen Jahren seine Gefühle kaum im Griff hat, bekommt auch im späteren Leben Schwierigkeiten. Das berichtet ein internationales Forscherteam um die Psychologin Terry Moffitt von der Duke University in Durham, USA. Vorprogrammiert sind Lebensläufe dennoch nicht.
1.000 Kinder im Alter von drei Jahren hatten die Wissenschaftler untersucht und 30 Jahre lang in ihrer Entwicklung begleitet. Sie wollten herauszufinden, wie sich kindliche Selbstkontrolle auf Wohlstand, Gesundheit und Kriminalitätsrate auswirken. Das Ergebnis: Unruhige, emotional labile Kinder litten später nicht nur häufiger an Übergewicht, Bluthochdruck, Geschlechtskrankheiten und Atemwegsproblemen. Sie hatten auch mehr Schulden, seltener ein Eigenheim, waren häufiger alleinerziehend und konsumierten öfter Drogen und Alkohol.
Doch woran liegt es, dass manche Kinder Selbstkontrolle entwickeln, pflichtbewusst, selbstdiszipliniert und ausdauernd sind, andere wiederum nicht? Die Antwort darauf kommt aus der Bindungsforschung: Ob ein Kind so etwas wie Selbstkontrolle entwickelt, hängt stark
davon ab, welche Erfahrungen es in den ersten Lebensmonaten und –jahren macht. „Die Qualität von Beziehungen spielt für die menschliche Entwicklung
eine entscheidende Rolle“, sagt Klaus Grossmann. „Zwar sind auch genetische Veranlagungen entscheidend, dennoch gibt die Qualität der Beziehung zur primären Bezugsperson den
Ausschlag, ob ein Mensch im späteren Leben eher organisiert oder desorganisiert ist“, so der emeritierte Professor. Machen Kinder in den ersten Lebensjahren gute Bindungserfahrungen entwickeln sie häufiger eine psychische Sicherheit. Und das zeigt sich darin, dass sie sich, vor allem in schwierigen Situationen, immer besser selbst organisieren können, Lebensfreude zeigen oder über eine angemessene Selbstkontrolle verfügen.
Primäre Bezugsperson für ein Kind ist in der Regel die Mutter. Heißt das jetzt, dass allein die Mutter daran Schuld ist, wenn der Sohn in die Alkoholsucht abrutscht oder die Tochter ständig im Büro fehlt? Die Forschung sagt ,Nein’. „Versagen Bindungspersonen, dann tun sie das ungewollt“, erläutert Psychologe Grossmann. Oft hätten sie keine Einblicke in die Zusammenhänge und wüssten nicht, welches Verhalten das richtige ist.
Feinfühlig müssen die Reaktionen sein, sagt Professor Karl Heinz Brisch vom Haunerschen Kinderspital der Universität München. „Es ist nicht schwierig, Kinder abzuhärten und sie solange schreien zu lassen bis sie damit aufhören“, erläutert er. Doch das habe fatale Auswirkungen auf ihr Verhalten, weil sie nicht lernten, mit Stress gelassener und mit gutem sicheren Gefühl umzugehen. Im Kindergarten könnten solche Kinder dann zum Beispiel kein ,Nein' akzeptieren. In der Schule würden sie aus der Klasse fliegen und später im Arbeitsleben der cholerische Kollege sein, der ständig überreagiert, wenn er wütend ist.
Was in der frühen Kindheit passiert, hat langfristige Auswirkungen in vielen Bereichen. Aber definitiv ist es kein Schicksal. „Wenn das Bindungssystem unsicher ist, hilft es zum Beispiel, wenn die Eltern eine Beratung annehmen“, so Psychologe Brisch. „Dass sie nicht feinfühlig auf ihr Kind eingehen können, hängt oftmals damit zusammen, dass sie in der eigenen Kindheit schlechte Erfahrungen gemacht haben“, sagt er. Einem Kind, das eine Verhaltensstörung entwickelt habe, helfe unter anderem eine Psychotherapie.
Auch der Staat kann helfen. „Nur in den westlichen Kulturen werden Mütter beim Großziehen ihrer
Kinder alleine gelassen“, kritisiert Bindungsforscher Grossmann. Nirgendwo anders würde es dazu kommen, dass
eine allein stehende Mutter überfordert ihre vier Kinder in der
Dreizimmerwohnung allein großziehen muss. „In solchen Kulturen gibt es
auch keine kaum Mutterdepressionen“, sagt er und fordert mehr Kindertagesstätten, die Mütter entlasten. Allerdings müsse auch die Ausbildung der Erzieher besser werden.