„In Griechenland investieren“

Die Hilfe zugunsten Griechenlands und Portugals rentiert sich für Deutschland, sagt Bank-Analyst Folker Hellmeyer. Die EU solle europäischen Unternehmen Anreize bieten, dort Arbeitsplätze zu schaffen

Hannes Koch: Herr Hellmeyer, in der Euro-Krise plädieren Sie dafür, Griechenland weiter zu unterstützen. Warum sollen deutsche Steuerzahler dem zustimmen, wenn gleichzeitig griechische Beamte feudale Gehälter erhalten?

Folker Hellmeyer: Das Bild der verschwenderischen Griechen stimmt nicht mehr. Dort wird gegenwärtig die härteste Reform durchgesetzt, die sich ein Industrieland seit langem zumutet. Erfolge in der Defizitreduktion und Deregulierung sind bereits gegeben.

Koch: Die Steuerhinterziehung gerade der Reichen scheint noch immer ein Problem zu sein. Muss Athen nicht erst einmal die Yachten im Hafen von Piräus ordentlich besteuern, bevor Europa neue Kredite bewilligt?

Hellmeyer: Die griechische Verwaltung ist tatsächlich nicht so effektiv, wie sie sein sollte. Man kann Fortschritte feststellen, aber weitere Anstrengungen sind notwendig, um höhere Standards zu etablieren. Fakt ist allerdings auch, dass die Steuerzahlung im vergangenen Jahr um neun Prozent gestiegen ist, obwohl die Wirtschaftsleistung um 4,5 Prozent schrumpfte. Zahlreiche Yachten liegen schon an der Kette.

Koch: Den Deutschen verlangen die Bundesregierungen seit zehn Jahren Sparmaßnahmen ab. Das Stichwort ist Hartz IV. Erscheint es da politisch nicht ratsam, von Griechenland Ähnliches zu fordern, anstatt mehr Geld zu bewilligen?

Hellmeyer: Mit einem Medikament alleine ist Griechenland nicht zu helfen. Deutschland kann als Modell dienen, um die internationale Konkurrenzfähigkeit wieder herzustellen. Das weiß die griechische Regierung, sie orientiert sich am deutschen Vorbild. Mit Erfolg: Die griechischen Exporte steigen. Im ersten Quartal verzeichnete die Wirtschaft sogar ein leichtes Wachstum. Doch man darf die Sparpolitik nicht übertreiben.

Koch: Was schlagen Sie stattdessen vor?

Hellmeyer: Die EU-Kommission sollte einen runden Tisch mit den großen europäischen Konzernen einberufen und beraten, wie sich deren Investitionen in Griechenland verstärken ließen. Damit könnte man der dortigen Wirtschaft unter die Arme greifen.

Koch: Warum sollten die Unternehmen diesem Ruf Folge leisten?

Hellmeyer: Angesichts des starken Wachstums unter anderem in Deutschland ist es für manche Firmen allmählich schwierig, Fachkräfte in ausreichender Zahl anzuwerben. In Griechenland sind augenblicklich dagegen viele Arbeitskräfte erwerbslos. Die EU könnte außerdem Anreize für derartige Investionen aus ihren bestehenden Fonds zahlen.

Koch: Was werden die deutschen Arbeitslosen sagen, wenn wir nicht nur Geld, sondern auch noch Arbeitsplätze in die Schuldenländer schicken?

Hellmeyer: Bei uns sinkt die Erwerbslosigkeit schnell – dieses Jahr unter drei Millionen. Durch Investitionen in Griechenland oder Portugal würde dieser Prozess nicht verlangsamt. Die weltweite Nachfrage nach deutschen Produkten ist so groß, dass alle davon profitieren könnten.

Koch: Griechenland ist klein. Es spielt für den deutschen Export kaum eine Rolle. Warum plädieren Sie trotzdem so eindringlich dafür, das Land mit finanzieller Unterstützung vor dem Kollaps zu bewahren?

Hellmeyer: Fällt Griechenland, steht die Integrität der Eurozone in Frage. In diese Länder aber verkaufen wir 60 Prozent unserer Exporte. Deshalb ist es lebenswichtig, einen Flächenbrand zu verhindern.

Koch: Wie muss man sich diese Kettenreaktion vorstellen?

Hellmeyer: Würde Athen zahlungsunfähig und stiege möglicherweise aus der Euro-Zone aus, bestünde eine ähnliche Gefahr durch spekulative Attacken am Finanzmarkt für Irland, Portugal, Spanien und Italien. Wenn uns aber diese Euro-Märkte verlorengehen, sind wir in Deutschland schnell wieder bei fünf Millionen Arbeitslosen und großen Bugetdefiziten.

Koch: Wieviel sollen wir uns die Rettung kosten lassen – nochmal 30 oder 40 Milliarden Euro?

Hellmeyer: Bisher bezahlt Deutschland gar nichts, sondern erhält Zinsen für seine Hilfskredite. Aber machen wir eine Beispielrechnung. Vielleicht braucht Griechenland zusätzliche 90 Milliarden Euro, was die Hilfen auf insgesamt 200 Milliarden erhöhen würde. Wenn man die Hälfte davon tatsächlich als Verlust verbuchen müsste, was vorausssichtlich nicht nötig sein wird, bedeutete dies gemäß des europäischen Verteilungssschlüssels für Deutschland Kosten von rund 20 Milliarden Euro. Im Falle einer Systemkrise Europas dagegen würden wir viel mehr verlieren – auch die zu erwartenden 135 Milliarden Steuermehreinnahmen in den kommenden Jahren.

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Folker Hellmeyer (49) ist Chefanalyst der Bremer Landesbank und gibt täglich den Marktbericht „Forex-Report“ heraus.

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Euro-Krise

Braucht Griechenland weitere europäische Kredite, um den Staatsbankrott zu verhindern? Wie soll das Hilfspaket für Portugal ausgestaltet werden? Diese Fragen verhandeln Finanzminister Wolfgang Schäuble und seine europäischen KollegInnen gestern und heute in Brüssel. Während ein neues Programm für Griechenland wohl noch etwas auf sich warten lässt, wollten die EU-Finanzminister für Portugal Kredite in Höhe von 78 Milliarden Euro beschließen. Im Gegenzug muss Portugal ein Sparpaket auflegen. Steuern steigen und Sozialleistungen sinken.