Streit über Grenzwerte für Atom-Fisch

Die Verbraucherorganisation Foodwatch fordert schärfere Grenzen für die radioaktive Belastung von Lebensmitteln

Bisher haben die Deutschen großes Glück gehabt. Da explodierte in Japan ein Atomkraftwerk, dort sind ganze Regionen entvölkert, doch hier ist die radioaktive Belastung bislang nicht angekommen. Gleichwohl warnen die Organisationen Foodwatch und Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs vor dem nuklearen Risiko. Um die Bevölkerung besser zu schützen, fordern sie die Grenzwerte für die radioaktive Belastung von Lebensmitteln stark zu senken.

Thomas Dersee rechnet damit, dass demnächst radioaktiv belasteter Tiefkühlfisch aus dem Pazifik in Europa auftauchen könnte. In seiner Studie, die Foodwatch am Dienstag vorstellte, hat sich der Wissenschaftler deshalb mit den aus seiner Sicht zu hohen Grenzwerten auseinandergesetzt. „Mit der Gesundheitsgefährdung, die von dem havarierten Atomkraftwerk in Fukushima ausgeht, werden wir noch 30 Jahre zu tun haben“, sagt Dersee, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Strahlenschutz.

Wohlgemerkt: Bisher sind radioaktiv belastete Nahrungsmittel aus Japan in Europa nicht auf dem Markt. Unter anderem die Kontrollen an Flughäfen und Häfen haben dies verhindert. Foodwatch jedoch sorgt sich um die Zukunft – nicht nur im Hinblick auf Japan, sondern auch, weil in Europa Dutzende Atomkraftwerke Strom produzieren. Käme es zu einem Unfall – was würden die aktuellen Grenzwerte für die Ernährung von Kindern und Erwachsenen bedeuten?

Foodwatch-Chef Thilo Bode sagt es so: „Die geltenden Grenzwerte sind unzumutbar hoch. Sie setzen die Bevölkerung unnötig massiven gesundheitlichen Risiken aus.“ Bode stützt sein Argument auf einen vermeintlichen Widerspruch zwischen zwei unterschiedlichen Grenzwerten. Erstens schreibt die deutsche Strahlenschutzverordnung vor, dass Menschen hierzulande höchstens einer Strahlenbelastung von einem Millisievert jährlich ausgesetzt werden dürfen. Die EU-weiten Strahlengrenzwerte für Lebensmittel lägen dagegen viel höher, so Foodwatch. Umgerechnet betrügen sie 33 Millisievert für Erwachsene. Bodes Forderung: „Die EU muss diese Grenzwerte drastisch senken.“

Florian Emrich, Sprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz, relativiert diese Einschätzung. Foodwatch mache den Fehler, zwei eigentlich nicht vergleichbare Werte gegenüberzustellen. Die umgerechnete Belastung des EU-Grenzwertes werde nur erreicht, wenn sich ein Mensch ausschließlich mit Lebensmitteln ernähre, deren Radioaktivität knapp unter dem gesetzlichen Limit liege. Dieser Fall aber sei nur ein theoretischer, so Emrich.

„Die derzeit geltenden Grenzwerte der EU führen selbst bei einem Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln aus Japan zu relativ geringen zusätzlichen Strahlenbelastungen“, sagt Emrich, „für die Verbraucher ergibt sich praktisch kein erhöhtes gesundheitliches Risiko.“ Gleichwohl hält der BfS-Sprecher die Forderungen von Foodwatch und den Ärzten zur Verhütung des Atomkriegs für „nachvollziehbar“ – niedrigere Grenzwerte seien immer gut.