Aufsichtsrätin Frauke Vogler rät Frauen, eigene Netzwerke aufzubauen, um Führungspositionen in der Wirtschaft zu erobern
Hannes Koch: Frau Vogler, Sie sitzen im Aufsichtsrat des Solarherstellers Q-Cells und sind damit eine von recht wenigen Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft. Wie haben Sie es dorthin geschafft?
Frauke Vogler: Ich habe die Berufung meinem eigenen beruflichen Netzwerk zu verdanken. Weil ich als Anwältin und Steuerberaterin schon früher Mandanten aus der Solarindustrie betreute, brachte ich Branchenkenntnisse und Fachkompetenz für den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates mit. Deshalb wurde ich gefragt.
Koch: Viele Frauen verfügen ebenfalls über hohe Qualifikationen und packen es trotzdem nicht. Welche Fehler haben Sie vermieden, die andere Kandidatinnen behindern?
Vogler: Ein wichtiger Punkt war wahrscheinlich, dass ich nicht zu lange mit der Antwort gezögert habe. Nach einer Stunde habe ich zugesagt. Frauen neigen dazu, zu lange zu überlegen. Nach zwei Tagen aber ist die Chance möglicherweise vertan.
Koch: Können sich Frauen auf so ausgeprägte Netzwerke stützen wie Männer – gibt es weibliche Burschenschaften?
Vogler: Organisierte Netzwerke berufstätiger Frauen existieren nur wenige. Eines davon ist Soroptimist International. Die eigenen Verbindungen müssen Frauen meistens selbst aufbauen. Kontakte zu pflegen gehört ja zu den besonderen weiblichen Sozialkompetenzen. Diese Fähigkeit sollten sie auch im beruflichen Interesse zielgerichtet nutzen. Empfehlen würde ich ebenso, dass Frauen sich ältere, erfahrene Managerinnen als Mentoren suchen, um von ihnen zu lernen.
Koch: Welches sind die wesentlichen politischen Gründe für Karrierebrüche von Frauen?
Vogler: Dass das öffentliche Betreuungsangebot für Kinder qualitativ und zeitlich oft nicht ausreicht, ist ein ganz wesentliches Problem.
Koch: Frauen werden durchschnittlich um 23 Prozent schlechter bezahlt als Männer in ähnlichen Tätigkeiten. Welche Rolle spielt die geringere Dotierung, wenn es darum geht, ob die Frau oder der Mann überwiegend für Haushalt und Kinder zuständig ist?
Vogler: Ehepartner führen diese Debatte nicht immer mit plausiblen Sachargumenten. Aber natürlich haben Frauen potentiell einen Nachteil in der ehelichen Auseinandersetzung, wenn der Mann auf sein höheres Gehalt verweisen kann.
Koch: Was ist der entscheidende Hebel, um die Bezahlung in den Unternehmen anzugleichen?
Vogler: Frauen sind gefordert, mehr zu fordern. Sie sollten recherchieren, was Männer auf einer entsprechenden Position verdienen und dasselbe Gehalt verlangen. Von falscher Bescheidenheit kann ich nur abraten. Damit gibt man Geringschätzung für die eigene Leistung zu Protokoll. Gerade Frauen müssen auf ihre finanziellen Interessen achten und nicht die üblichen Einstellungspakete akzeptieren, die vermeintliche Zugeständnisse wie beispielsweise Teilzeit-Tätigkeiten enthalten.
Koch: Raten Sie Frauen, mehr zu arbeiten?
Vogler: Für die eigene Karriere ist es wichtig, nach der Elternzeit so schnell wie möglich so viel wie möglich zu arbeiten. Das kann ein Teilzeit-Arbeitsplatz sein – aber eher einer mit 30, als mit 20 Stunden pro Woche. Sonst funktioniert der berufliche Aufstieg nicht.
Koch: Verhindern Männer in Unternehmen das Fortkommen der Frauen – oder ist das ein Vorurteil?
Vogler: Nein, das ist kein Vorurteil. Männer behindern Frauen, weil sie sich etwa männliche Nachfolger suchen. Dieser Auswahlprozess erfolgt oft nicht absichtsvoll, sondern intuitiv. Junge Männer werden bevorzugt und junge Frauen im selben Team erscheinen oft gar nicht als geeignete Kandidatinnen.
Koch: Wäre also die gesetzlich vorgeschriebene Mindestquote für Frauen in Beruf und Führungspositionen eine richtige politische Maßnahme?
Vogler: Ja, davon habe ich mich inzwischen überzeugen lassen. Die Quote ist nicht elegant, aber das einzige wirksame Mittel. Wenn später die Zahl der Frauen in Führungspositionen groß genug ist, kann man die Quote wieder abschaffen.
Bio-Kasten
Frauke Vogler (45) ist Partnerin der Berliner Kanzlei Vogler-Roessink-Chalupnik. Die seit 1999 selbstständige Rechtsanwältin und Steuerberaterin sitzt im Aufsichtsrat der Solar-Firma Q-Cells in Bitterfeld.
Info-Kasten
Null Frauen
Einen Index für den Frauenanteil in Führungspositionen der Wirtschaft hat am Donnerstag erstmals die Initiative „Frauen in die Aufsichtsräte“ (Fidar) veröffentlicht. Nur 6,5 Prozent der Aufsichtsrats- und Vorstandsposten in deutschen Aktiengesellschaften sind demnach mit Frauen besetzt. Sie haben zehn Prozent der Aufsichtsratsposten und drei Prozent der Vorstandsjobs inne. An der Spitze des Rankings steht mit jeweils drei Aufsichtsrats- und Vorstandssitzen das Konsumforschungsunternehmen GfK (Frauenanteil in der Führung: 40 Prozent). Dann folgen Douglas und Deutz. Die Hälfte der großen deutschen Unternehmen glänzt mit einem Frauenanteil in der Führung von exakt Null, darunter sind Fresenius, Hochtief und Linde. Befragt wurden alle 160 in den Aktienindizes DAX, MDAX, SDAX und TecDAX vertretenen Firmen.