Pro & Contra zur Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai 2011
Deutschland braucht Zuwanderer aus dem Ausland. Der einfache Grund: Nur so können wir unseren Wohlstand bewahren. Ohne Einwanderung verlieren wir alle, wir würden langfristig ärmer.
Dass Arbeitnehmer aus acht osteuropäischen EU-Staaten wie Estland, Polen und Slowenien ab kommender Woche ohne Beschränkungen in Deutschland arbeiten können, ist deshalb richtig und gut. Schließlich bringen die Deutschen zu wenige Nachkommen auf die Welt. Aus eigener Kraft gelingt es uns nicht, unsere Bevölkerungszahl stabil zu halten. Soll diese nicht sinken, brauchen wir die Einwanderer. Nur eine zahlenmäßig stabile und junge Bevölkerung garantiert, dass die Unternehmen genug Waren herstellen und die Geschäfte sie verkaufen können. Mehr Menschen, mehr Umsatz. Weniger Menschen, weniger Wohlstand.
Grundsätzlich angemessen wäre es natürlich, die Arbeitsimmigranten gezielt im Hinblick darauf auszuwählen, welche Qualifikationen hierzulande gebraucht werden. Das aber ist nicht mehr möglich, weil Europa mehr und mehr ein Land wird. Wir verbieten ja auch nicht Mecklenburgern nach Bayern zu ziehen. Und dass die vermeintlich billigen Zuwanderer deutschen Arbeitskräften die Jobs wegnehmen, kann man im Großen und Ganzen mit dem Mittel des Mindestlohnes verhindern. Von verbindlichen Lohnuntergrenzen werden mittlerweile schon rund vier Millionen einheimische Beschäftigte geschützt – diese Regeln gelten ebenso für Zuwanderer.
Ein Fluch – Contra von Wolfgang Mulke
Die Freizügigkeit auf dem europäischen Arbeitsmarkt wird sich für viele Menschen als Fluch erweisen. Hier wird ein Vertrag der Mittel- und Oberschichten zu Lasten Dritter umgesetzt. Es gibt dabei zwei Verlierer. In Deutschland sind es Teile der Arbeitnehmerschaft. Das wachsende Angebot an Arbeitskräften, die ein niedrigeres Lohnniveau gewöhnt sind, setzt die Verdienste hier unter Druck, insbesondere bei den Geringqualifizierten. Als geburtenfaules Land ist Deutschland zwar auf Zuwanderung angewiesen. Doch dies hat Kehrseiten, an denen auch die Einführung von Mindestlöhnen nichts ändern würde. So sinkt der Anreiz zu Investitionen ins Bildungssystem, um den Bedarf an Fachleuten aus eigener Kraft zu decken. Das ist bequem und billig für die, die einen gut bezahlten Job haben und keine höheren Abgaben für eine bessere Bildung leisten wollen. Die Unterschicht und Migranten werden aber weiter abgehängt.
Zweiter Verlierer sind die Staaten, aus denen die hierzulande benötigten Fachkräfte kommen. Sie haben die Ausbildung der Abwanderer bezahlt und erhalten dafür keine Gegenleistung. Es droht manchen Regionen eine ähnliche Entwicklung wie den neuen Bundesländern, wo gute Leute längst Mangelware sind. Zum Glück verhindern die Sprachbarrieren vorläufig einen allzu großen Exodus. Volkswirtschaftlich wird Deutschland von der Freizügigkeit profitieren, individuell wird es viele Verlierer geben.