Auswahlkriterien für Atomendlager stehen / Neue Probleme im Schacht Asse
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel warnt vor der für
das kommende Wochenende geplanten Wiederinbetriebnahme des
Kernkraftwerks Biblis B in Hessen. "Ich kann nur dringend an den
Betreiber RWE appellieren, den Fehler von Vattenfall nicht zu
wiederholen", sagte der Politiker am Mittwoch in Berlin. Der notwendige
Sicherheitsnachweis sei nicht gegeben. Nach Angaben Gabriels hat RWE
bislang nicht wie gefordert nachgewiesen, dass Fehler im Kühlsystem des
Meilers beherrschbar sind. Der Konzern setze sich dem Verdacht aus, aus
Kostengründen auf eine technisch machbare Nachrüstung zu verzichten.
Am liebsten will der SPD-Minister die ältesten acht der insgesamt 17
deutschen Atomkraftwerke abschalten. 89 Prozent der Bevölkerung stehen
einer Forsa-Umfrage zufolge dabei auf seiner Seite. Die Stromversorgung
würde dadurch nicht gefährdet. Die dann 8.000 Megawattstunden werden
durch geplante neue Kraftwerke sowie zusätzliche erneuerbare Energie in
einem Umfang von 12.000 Megawatt mehr als ersetzt. "Von einer Stromlücke
kann nicht die Rede sein", betonte Gabriel. RWE kann den Reaktor
trotzdem wieder in Betrieb nehmen, weil dies keiner besonderen
Genehmigung bedarf. Der Umweltminister sieht nun die hessische
Landesregierung am Zug. Notfalls will Gabriel selbst gegen den Betrieb
vorgehen. RWE äußerte sich auf Anfrage nicht zu dem Meiler.
Für eine Abschaltung der älteren Atomkraftwerke spricht nach Angaben des
Bundesamts für Strahlenschutz deren geringere Sicherheit. "Ältere
Kraftwerke sind störanfälliger", stellt der Chef des Amts, Wolfram
König, fest. In seiner 25-jährigen Laufzeit musste Krümmel
beispielsweise 5,5 Jahre vom Netz genommen werden, Brunsbüttel 11,5 von
30 Jahren.
Bund und Länder müssen in den nächsten Jahren noch ein weiteres Problem
lösen. Noch immer gibt es kein Endlager für den hochradioaktiven
Atommüll. Gabriel hat nun Kriterien für ein Auswahlverfahren
veröffentlicht, die ein künftiges Endlager erfüllen muss. "Wir brauchen
ein ergebnisoffenes Auswahlverfahren", sagte Gabriel. Eine Festlegung
auf Gorleben als Standort gibt es nicht. Auch Lagerplätze in anderen
Bundesländern sollen erkundet werden. Dagegen sperren sich vor allem
Bayern und Baden-Württemberg, die ansonsten einen atomfreundlichen Kurs
fahren. Die Zeit für eine Entscheidung drängt langsam. Denn die
Erkundung dauert locker 15 Jahre. Wenn in Deutschland kein Endlager
eröffnet wird, müsste der Atommüll exportiert werden. Das wäre nicht nur
teuer, sondern birgt die Gefahr einer großen Abhängigkeit zu einem
Abnehmerland wie Russland.
Der Umweltminister pocht ebenso wie die Strahlenschutzbehörde auf eine
Verstaatlichung der Lagerstätten. Das ist die Lehre aus den
katastrophalen Zuständen im Schacht Asse, wo schwach radioaktive
Materialien lagern. Tief unter der Erde lagern 126.000 Fässer, die zum
Teil lecken. Wasser dringt in den Einsturz gefährdeten Salzstock ein.
Gabriel spricht von einem "Beispiel für den unverantwortlichen Umgang",
mit den gefährlichen Stoffen. Der private Betreiber wurde davon gejagt.
Nun ist das Bundesamt für die Notversorgung von Asse zuständig.