Kommentar zu Griechenland von Hannes Koch
Die bisher angewandte Medizin versagt. Aus ökonomischer Sicht konnte man schon in den vergangenen Monaten Zweifel an der Gesundung Griechenlands hegen. Nun aber tritt in der Schuldenkrise des Mittelmeerlandes eine weitere Infektion hinzu. Ministerpräsident Giorgos Papandreou kann sich auch der Unterstützung seiner eigenen Partei nicht mehr sicher sein. Selbst der Regierung scheint der Glaube an die eigene Heilung abhanden zu kommen.
Durch die innere Uneinigkeit verschärft sich die Lage. Unlängst ist Papandreou daran gescheitert, die Parlamentsopposition zur Unterstützung eines weiteren Sparprogramms zu gewinnen. Nun nimmt auch die Kritik in seiner sozialistischen Partei Pasok zu. Dutzende Abgeordnete drohen, dem Regierungschef die Gefolgschaft zu verweigern. Papandreou erwägt deshalb, die Unterstützung seiner eigenen Leute mit einer Vertrauensabstimmung im Parlament zu erzwingen. Hinzu kommen nicht nur die heftiger werdende Straßenschlachten in Athen.
Auch die größte griechische Privatbank verliert das Vertrauen in die grundsätzliche Stabilität der griechischen Staatsfinanzen. Sie hat begonnen, Papiere der Regierung zu verkaufen. Dadurch könnte sich die Abwärtsspirale verstärken. Wenn die griechischen Staatsanleihen durch massive Verkäufe weiter an Wert verlieren, steigen die Zinsen, die die Regierung ausloben muss, um überhaupt Käufer zu finden. Die ohnehin schon schwierige Refinanzierung der Staatsschuld wird noch teurer. Der Staatsbankrott rückt ein Stück näher.
Für die Euro-Zone stellt sich damit die Frage: Kann man mit der Therapie aus Hilfskrediten und Sparprogrammen weitermachen wie bisher? Vermutlich nicht. Damit Griechenland seine Schulden wieder selbst tragen und finanzieren kann, muss man sie möglicherweise um die Hälfte reduzieren. Eine so riskante Therapie – einen Schuldenschnitt – hat es bislang in der Euro-Zone nicht gegeben. Die Ärzte sollten aber trotzdem ernsthaft darüber nachdenken – und gleichzeitig Vorkehrungen treffen, die die Ansteckung weiterer Patienten verhindern.