Enteignung oder feindliche Übernahme?

Die wichtigsten Fragen zur Hypo Real Estate

Warum will der Bund die Bank Hypo Real Estate (HRE) übernehmen?

Die Hypothekenbank steht am Abgrund und konnte nur durch Bundeshilfen von mittlerweile über 100 Milliarden Euro vom der Insolvenz gerettet werden. Ein Zusammenbruch des Instituts soll um fast jeden Preis verhindert werden. Erstens befürchten die Fachleute in diesem Fall einen Dominoeffekt, der weitere Banken zu Fall brächte. Zweitens finanziert die Bank auch viele öffentliche Investitionsvorhaben und gibt dafür die als sicher geltenden Pfandbriefe heraus. Dieses Instrument könnte einen enormen Vertrauensverlust erleiden. Schließlich will der Bund, wenn die Hypo Real Estate schon ein Fass ohne Boden ist, bestimmen, wo es langgeht.

Wie kommt der Staat an die Anteile?

Es kommen mehrere Möglichkeiten in Frage, von denen zwei favorisiert werden. Das Unternehmen könnte per Gesetz enteignet werden oder der Staat setzt eine Kapitalerhöhung durch, bei der er am Ende so eine große Mehrheit der Aktien besitzt, dass die anderen Aktionäre aus der Gesellschaft gedrängt werden können.

Wie läuft eine Enteignung ab?

Der Bundestag kann ein Gesetz zur Enteignung der Bank beschließen. Das erlaubt der Grundgesetzartikel 14. In der Geschichte der Bundesrepublik ist so etwas noch nicht vorgekommen. Enteignungen gibt es allerdings immer wieder einmal. So wird zum Beispiel verkaufsunwilligen Landwirten Boden fortgenommen, wenn das Stück Land für den Bau einer Autobahn oder einer Bahnstrecke benötigt wird. Auf jeden Fall muss der vorherige Besitzer angemessen entschädigt werden.

Wie können die Aktien noch in Bundeshand gelangen?

Denkbar wäre ein freiwilliges Übernahmeangebot an die Altaktionäre. Um auf Nummer sicher zu gehen, prüfen die beteiligten Ministerien aber einen anderen Weg. Dabei würde die Hauptversammlung der Bank eine Kapitalerhöhung beschließen, also neue Aktien ausgeben. Diese Anteile würde allein der Bund übernehmen, der seinen Anteil auf diese Weise so weit erhöht, dass die erforderliche Mehrheit für eine komplette Übernahme der Hypo Real Estate zusammenkommt. Denn wenn ein Aktionär fast alle Aktien besitzt, darf er die restlichen Anteilseigner aus dem Unternehmen drängen.

Wo liegen die Probleme?

Es gibt mehrere Schwierigkeiten. Viele Unionspolitiker wollen eine Enteignung aus grundsätzlichen Erwägungen vermeiden. Denn einen so tiefen Eingriff des Staates in die Wirtschaft lehnen sie ab, es sei denn, es bleibt gar kein anderer Weg übrig. Der SPD-Finanzminister Peer Steinbrück favorisiert dagegen diese vergleichsweise schnelle Lösung, weil jede verlorene Minute weitere Steuergelder kosten kann. Am heutigen Mittwoch beschließt das Bundeskabinett auf jeden Fall schon einmal ein „Rettungsübernahmegesetz“ vor, auf dessen Grundlage die Enteignung vorgenommen werden könnte.

Ein weiteres Problem sind die Altaktionäre der Bank, die viel Geld verloren haben. Vor allem der einzige Großaktionär, der US- Investor Flowers, pokert um eine möglichst hohe Entschädigung. Der Amerikaner besitzt knapp ein Viertel der HRE-Aktien. Statt der 22,50 Euro, die Flowers einst dafür bezahlt hat, kostet ein Anteil an der Börse derzeit gerade einmal gut 1,10 Euro. Für eine Übernahme seiner Aktien verlangt Flowers aber ein Vielfaches dieses Betrages. Der Investor setzt darauf, dass dem Bund die Zeit davon läuft und er deshalb mehr als den Börsenkurs bezahlen wird.

Was wird die Übernahme kosten?

Das ist noch offen. Die Entschädigungen dürften den Steuerzahler jedoch abermals viel Geld kosten, womöglich einen Milliardenbetrag.

Wie geht es dann weiter?

Weitere Enteignungen soll es nicht geben. Vermutlich wird das Rettungsübernahmegesetz deshalb auch bis zum Herbst befristet. Der Bund wird versuchen, die HRE wieder zu stabilisieren und das Pfandbriefgeschäft wieder in Gang zu bringen. Notfalls kann der Staat aber auch für eine kontrollierte Abwicklung der HRE sorgen, die keine weiteren Banken in Mitleidenschaft zieht. Im günstigsten Fall steht die Bank nach überstandener Krise wieder auf und kann dann erneut privatisiert werden. Wie hoch die Gesamtkosten für den Steuerzahler bis zum Ende der Rettungsaktion werden, ist weiterhin offen.