Ökonomen der Uni Kiel bezweifeln, dass sich Athen sanieren kann. Sie raten zur Umschuldung
Ist Griechenland noch zu retten? Nein, nicht auf dem bisherigen Wege, argumentieren die Ökonomen David Bencek und Henning Klodt. Die Forscher des Kieler Instituts für Weltwirtschaft schreiben: „Die staatliche Überschuldung hat ein Ausmaß erreicht, das nicht mehr beherrschbar ist. An einem kräftigen Schuldenschnitt führt kein Weg vorbei.“
Das IfW hat den Aufsatz am Donnerstag veröffentlicht – wenige Tage, nachdem Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler die „Insolvenz“ des Mittelmeerlandes thematisierte und die Linie der Bundesregierung durcheinanderbrachte. Kanzlerin Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble verfolgen im internationalen Konsens bislang die Politik, Griechenland finanziell zu stabilisieren.
Das sei aber nicht mehr möglich, erklärt das IfW – und stellt die Ergebnisse seiner Berechnungen vor. Die Argumentation ist so aufgebaut: Die Forscher ermitteln zunächst den Primärüberschuss des griechischen Staates – die Differenz von öffentlichen Einnahmen und Ausgaben (ohne Zinszahlung) im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Für 2010 war diese Größe mit minus 1,65 Prozent deutlich negativ. Griechenland gibt zu viel Geld aus und hat zu geringere Einnahmen. Im laufenden Jahr wird das Defizit außerdem stark zunehmen.
Diesem negativen Saldo stellen Bencek und Klodt gegenüber, welchen Überschuss Griechenland eigentlich erzielen müsste, um seine Schulden nicht noch weiter wachsen zu lassen. Der entsprechende Prozentsatz beträgt 8,45 Prozent der Wirtschaftsleistung. Während Griechenland real Milliarden Euro pro Jahr verliert, müsste das Land einen positiven Saldo in einer Größenordnung von 20 Milliarden Euro jährlich erwirtschaften – und zwar über Jahre. Dies aber sei unrealistisch, sagen Bencek und Klodt.
Warum? Die Forscher haben sich Staaten angeschaut, die in der Vergangenheit Überschüsse der Staatseinnahmen verzeichneten. Dazu gehörte auch Deutschland. Das Ergebnis: Selbst unter größten Anstrengungen ist es keinem der betrachteten Länder langfristig gelungen, Einnahmeüberschüsse zu erwirtschaften, die über fünf Prozent der Wirtschaftsleistung lagen. Die pessimistische Voraussage für Griechenland lautet deshalb: Auch Athen wird das nicht schaffen. So ergibt sich die politische explosive Schlussfolgerung: Das Mittelmeerland braucht dringend eine Reduzierung seiner Schulden. Wer will, kann dies als „kontrollierte Insolvenz“ bezeichnen wie Wirtschaftsminister Rösler.
Nicht alle Ökonomen jedoch sehen das so. Die Organisationen OECD und IWF billigen Athen deutlich bessere Chancen zu, seine Schulden in den Griff zu bekommen. Gegen diese Studien argumentiert das Kieler IfW, die zugrunde liegenden Annahmen seien zu optimistisch ausgefallen.
Auch Portugal und Irland betrachten die IfW-Forscher im übrigen als potenzielle Kandidaten für eine Umschuldung, bei der die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssten. Spanien, Italien und Frankreich hingegen seien „im grünen Bereich“: Ihnen könne es gelingen, die Schulden zu stabilisieren, meinen Bencek und Klodt.