Inflation II: Die Verbraucherpreise für Benzin, Strom, Gas und Lebensmittel steigen spürbar. Die meisten anderen Waren verteuern sich aber kaum
Der Blick auf die Preisanzeigen der Tankstellen jagt Autofahrern in diesem Tagen einen Schrecken ein. Weit über 1,50 Euro kostet der Liter Superbenzin bereits, auch der Dieselpreis ist jenseits der Marke von 1,40 angelangt. Der kräftige Preissprung wird von den Konzernen mit den Unruhen im Ölförderland Libyen begründet. Kostet der Liter Sprit bald zwei Euro?
Wenn es auch in anderen Förderregionen zu Aufständen kommen sollte, wird der Ölpreis weiter in die Höhe schnellen. Zusätzlich steigt durch das Wirtschaftswachstum besonders in Asien und Lateinamerika die weltweite Nachfrage nach Öl. Parallel dazu wird es schwieriger, neue Erdölquellen zu erschließen. Und beim Diesel kommt noch eine Besonderheit hinzu. Es fehlen Raffinerien zur Herstellung des Treibstoffs, der zudem als Heizöl verkauft wird. Auch dieses mangelnde Angebot treibt den Preis. Deshalb werden die Verbraucher für Kraftstoff langfristig wohl mehr Geld ausgeben müssen, selbst wenn sich die Lage in Nordafrika wieder beruhigt.
Auch beim Gas wird sich die Teuerung in den nächsten Jahren bemerkbar machen. Der Gaspreis ist noch immer an den Ölpreis gekoppelt. Sollte dieser krisenbedingt hoch bleiben, wird nach einiger Zeit auch das Gas zum Heizen oder Kochen teurer.
Bei Elektrizität wirken weitere Faktoren preistreibend. So steigt die Umlage für Ökostrom an, die die Privatkunden zahlen, und verteuert jede Kilowattstunde. Bald müssen außerdem neue Stromleitungen gebaut werden, damit die zusätzliche Energie beispielsweise aus den Windparks in der Nordsee zu den Verbrauchern gelangt. Die Milliardenkosten für den Netzausbau werden sich die Versorger mittels höherer Strompreise zurückholen.
Der zweite entscheidende Faktor für die höhere Inflationsrate von zwei Prozent im Februar 2011 ist die Preissteigerung bei Lebensmitteln. Ende des Jahres 2010 lag die Inflationsrate bei Nahrungsmitteln um 2,5 Prozent über der durchschnittlichen Inflationsrate. Einer der wesentlichen Gründe dafür ist das hohe Wirtschaftswachstum in Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien. Die Menschen dort werden wohlhabender, wodurch ihre Nachfrage nach Fleisch und anderen höherwertigen Lebensmitteln, sowie nachfolgend die Weltmarktpreise steigen. Hinzu kommt die Finanzspekulation mit Nahrungsrohstoffen, die sich aufgrund unzureichender Daten aber bislang schwer beziffern lässt.
Trotz der stärker steigenden Preise für Energie und Nahrungsmittel bleibt die gesamte Inflationsrate, in die alle in Deutschland verkauften Waren einbezieht, vergleichsweise niedrig. Es dauere einfach eine gewisse Zeit, bis sich höhere Rohstoffkosten in den Verbraucherpreisen niederschlügen, erklärt Ökonom Ferdinand Fichtner von Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Außerdem könnten die Industrieunternehmen wegen des scharfen Wettbewerbs nicht jede Kostensteigerung umstandslos an die Endkunden weiterreichen. Deswegen bestehe vorläufig keine große Gefahr, so Fichtner, dass die „Kerninflation“ für alle Waren ohne Energie und Nahrungsmittel über zwei bis drei Prozent pro Jahr hinaus steige.
Auch den Arbeitnehmern glaubt der Ökonom eine optimistische Botschaft schicken zu können. Nicht unwahrscheinlich sei es, dass die zwischen Unternehmensverbänden und Gewerkschaften in diesem Jahr zu verhandelnden Lohnsteigerungen den inflationsbedingten Kaufkraftverlust ausgleichen könnten. Fichtner rechnet damit, dass die Firmen ihrem Personal rund ein Prozent mehr Lohn zugestehen, um die Produktivitätssteigerung weiterzureichen. Hinzu käme ein Inflationsausgleich von etwa zwei Prozent. Diese durchschnittlichen Lohnerhöhungen von rund drei Prozent wären nach Fichtners Einschätzung volkswirtschaftlich tragbar und würden die Inflation nicht zusätzlich antreiben. „Die Akteure haben aus den Fehlern der 1970er Jahre gelernt“, sagt der Wirtschaftsforscher.