Verbraucherministerium plant Veröffentlichung von Verbraucherbeschwerden / Industrie und Handel sehen sich am Pranger
Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) ärgert sich schon lange über die Tricks mancher Lebensmittelhersteller. Immer wieder werden die Kunden mit irreführenden Angaben getäuscht. Nun will die Ministerin die Beschwerden der Verbraucher samt Namen der betroffenen Unternehmen und Produkte veröffentlichen und die Industrie so zu einem ehrlichen Verhalten zwingen. „Es soll ein seriöser Dialog begonnen werden“, sagt ein Sprecher Aigners. Geplant ist eine von der hessischen Verbraucherzentrale betriebene Internetseite, die im Frühjahr 2011 an den Start gehen soll. Derzeit verhandelt das Ministerium mit der Branche über die Ausgestaltung der Webseite.
Immer wieder ärgern sich Verbraucher über Tricksereien im Supermarkt. In der Kalbsleberwurst war lange Zeit kein Kalbfleisch. Oder die Werbung für ein Produkt verspricht, dass es ohne Zuckerzusatz hergestellt wurde. Im Kleingedruckten finden sich dafür andere Süßstoffe. Gerne werden auch prächtige Früchte auf Joghurtbechern abgebildet, obwohl das Produkt selbst nur künstliche Aromen enthält. Manche Unternehmen werben für ihre Fertiggerichte mit dem Aufdruck „ohne Geschmacksverstärker“. Aus der Zutatenliste geht jedoch hervor, dass der Geschmack mit Hefeextrakten doch aufgemotzt wird. Die Liste der schlechten Beispiele lässt sich fast beliebig verlängern.
Wird das Vorhaben umgesetzt, können sich verärgerte Kunden mit ihrer Beschwerde an die Verbraucherzentrale wenden. Dort wird der Sache nachgegangen. Die Industrie darf zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Strittige Fälle werden dann im Internet veröffentlicht. Die Namen der Beschwerdeführer bleiben geheim. Dagegen sollen Ross und Reiter bei den betroffenen Produkten genannt. Auf diese Weise will Aigner eine Diskussion zwischen Verbrauchern, Verbänden und der Wirtschaft in Gang bringen.
Außerdem soll das Portal über die Rechtslage bei der Lebensmittelkennzeichnung aufklären. Denn viele der von den Kunden kritisierten Praktiken sind legal. Oft genug verstoßen Hersteller aber auch gegen das Recht. So soll die Initiative auch die ehrlichen Unternehmen vor den schwarzen Schafen schützen. Am Ende des Prozesses hätte die Verbraucherministerin gerne einen freiwilligen Verhaltenskodex der Wirtschaft. Darin sollen Grundsätze der Aufmachung von Nahrungsmitteln festgelegt werden.
„Klarheit und Wahrheit“ lautet der amtsinterne Arbeitstitel des neuen Portals. In der Wirtschaft kommt die Idee gar nicht gut an. „Wir wollen nicht, dass Unternehmen an den Internetpranger gestellt werden“, sagt der Sprecher des Einzelhandelsverbands (HDE), Kai Falk. Eine bessere Verbraucherinformation will der Handel gerne unterstützen. Doch ist die Sorge groß, dass einzelne Organisationen das Podium nutzen, um ganze Produktgruppen in Misskredit zu bringen, und dass die betroffenen Firmen sich nicht ausreichend der Vorwürfe erwehren können. „Dann wird es eine Meckerplattform“, befürchtet Falk. Von der Kritik lässt sich Aigner nicht beeindrucken. „Die Ministerin hält an den Plänen fest“, versichert ihr Sprecher.