Bei Linken und Konservativen ist es en vogue, in das Eigentumsrecht der Großbanken einzugreifen
Nun dringt der Ruf des Protests gegen die Finanzkrise auch nach Deutschland. So etwas wie die New Yorker Bewegung „Besetzt die Wallstreet“ soll es ab Samstag auch in Frankfurt und Berlin geben – das jedenfalls wünscht sich die linke Organisation Attac und auch mancher Grüne.
Viele Griechen protestieren seit einem Jahr gegen die Sparmaßnahmen, mit denen die Regierung das verschuldete Land sanieren will. Dann setzten sich junge Leute in Madrid auf die Straße. Das treibende Motiv des Protestes ist immer ein Gefühl tiefer Ungerechtigkeit. Viele Bürger leiden darunter, dass sie ihre Arbeitsplätze verlieren, ihre Löhne seit Jahren stagnieren und sie als Steuerzahler hilflos zuschauen müssen, wie hunderte Milliarden Dollar und Euro in die staatliche Stützung des Banksystems investiert werden.
Die neue, heftige Kapitalismuskritik von unten unterscheidet sich durch Wut und radikalen Gestus durchaus von den Argumenten bürgerlicher Journalisten und Politiker – in der Sache jedoch hat selbst die Bundesregierung die früher unbestrittene Basis der Marktwirtschaft schon lange verlassen. Auch aktuell werden wieder Eingriffe in die Geschäfte der Banken diskutiert, die vor fünf Jahren unvorstellbar erschienen.
Dabei scheuen sich die Kapitalismuskritiker in den Regierungen nicht, die teilweise oder komplette Verstaatlichung von Finanzinstituten zu erwägen. Karl Marx würde sich wundern, wenn er das noch erlebte. Hat doch der Präsident der EU-Kommission, Jose Manuel Barroso, dafür plädiert, den Banken zusätzliches Kapital aufzuwingen. Sinn der Sache: Das Geld würde verhindern, dass Banken im Zuge der Staatsschuldenkrise zusammenbrechen. Falls nötig, sollen die Finanzspritzen von den Regierungen kommen. Dies würde allerdings auch bedeuten, dass die Regierungen Miteigentümer mancher Banken würden. In den USA gab es das bereits nach dem Zusammenbruch der Lehman Bank 2008. In Deutschland hat die Regierung das Münchner Institut HRE verstaatlicht.
Mit dieser Politik hängt die zweite Variante der Kapitalismuskritik von oben zusammen. Sie besteht darin, die Banken zu verpflichten, mehr eigenes Geld in Reserve zu halten. Dies führt dazu, die Finanzkraft der Institute zu verringern und drückt ihre Gewinne. Als eine Konsequenz aus der Bankenkrise von 2008 haben sich die internationalen Aufseher verständigt, dass die Institute ihre Geschäfte mit sechs Prozent Kernkapital absichern müssen. Jetzt spricht man bei der EU-Kommission bereits von neun Prozent. Die Wirkung: Wenn Banken mehr eigenes Kapital in Reserve halten, reduziert das ihre Verschuldung, mithin das Verlustrisiko. Weil diese Entschleunigung aber auch zu geringeren Profitmargen führt, versucht Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann solche Maßnahmen zu verhindern.
Dass die Politik, wenn sie denn will, die Autonomie der Banken beschränken kann, beweisen auch die jüngsten Reformen in den USA. Dort werden allmählich die Vorschläge umgesetzt, die Präsident Barack Obamas ehemaliger Berater Paul Volcker unterbreitete. Sie laufen darauf hinaus, Spekulationsgeschäfte der Banken auf eigene Rechnung stark einzuschränken. Das kann man betrachten als Ansatz einer Zerlegung von Großbanken in mehrere Teile. Der eine Teil würde die vergleichsweise risikolose Privatkunden- und Kreditgeschäfte abwickeln, die andere Ableger die riskantere Spekulation. Eine derartige Trennung gab in es in den USA schon früher. In den Jahren vor der Finanzkrise hatte man sie abgeschafft.
Und schließlich greifen die Regierungen mitunter zu einer ganz einfachen Methode. Sie untersagen Banken einfach, bestimmte Geschäfte zu betreiben, die die Politik für schädlich hält – so geschehen beispielsweise beim Verbot so genannter ungedeckter Leerverkäuf von Staatsanleihen in mehreren europäischen Staaten. Das schränkte die Spekulation etwa mit Staatspapieren Griechenlands ein. Dass dies nicht das letzte Mal gewesen sein könnte, hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erst kürzlich betont: „Das Finanzwesen muss wieder auf seine der Realwirtschaft dienende Funktion zurückgeführt werden. Und man muss im Zweifel auch Geschäfte verbieten.“
Vieles ist also möglich – wobei Bankenvertreter argumentieren, dass ihre Institute aktuell ja nur deshalb in der Klemme steckten, weil die angeblich so sicheren Staatsanleihen, die sie früher kauften, nun an Wert verlieren. Nicht die Privatinstitute seien also an der aktuellen Bankenkrise schuld, sondern die Regierungen selbst. Das stimmt – aber nur teilweise. Denn die Banken verstärkten die Staatsschuldenkrise auch dadurch, dass sie mit schwunghaftem Handel die Zinsen für Staatsanleihen in die Höhe getrieben und die Regierungen zusätzlich in Bedrängnis gebracht haben.
Ein zweites Argument gegen die moderne Kapitalismuskritik allerdings wiegt schwerer. Wer die Banken reguliert, muss aufpassen, dass er nicht ihre Fähigkeit zu sehr einschränkt, Kredite an Bürger und Wirtschaftsunternehmen zu vergeben. Schließlich will man nicht dafür sorgen, dass Firmen mangels Krediten Arbeitsplätze streichen.