Die Rechtslage beim Schauen von Raubkopien im Netz ist umstritten
Ganz neue Erfahrungen muss eine Berlinerin wie vermutlich Hunderttausende andere junge Leute in Deutschland seit dieser Woche machen. „Das Fernsehprogramm ist öde“, stellt sie fest. Statt wie sonst kostenlos neue Actionfilme im Internet zu schauen, flimmert jetzt nur noch das übliche Programm über den Bildschirm. Denn die Staatsanwaltschaft hat dem illegalen Vergnügen in dieser Woche ein Ende bereitet, die Webplattform kino.to abgeschaltet und 13 Helfer und Betreiber des Portals festgenommen. Damit ist eine der großen Quellen von Gratis-Filmen oder Serien versiegt.
Die meisten Nutzer von kino.to kamen nach Einschätzung der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) aus Deutschland. Rund 280.000 Besucher soll die Seite im Durchschnitt täglich erreicht haben. Wie viele davon auch tatsächlich die zu Unrecht bereitgehaltenen Unterhaltungsangebote wahrgenommen haben, lässt sich nicht sagen. Offen ist auch, inwieweit sich Nutzer nun auf Forderungen der Filmindustrie einstellen müssen. Die Inhaber der jeweiligen Rechte könnten versuchen, über die so genannte IP-Adresse an ihre Namen zu kommen und dann zivilrechtlich gegen sie vorgehen. „Das ist eine Entscheidung jedes einzelnen Unternehmens“, erläutert GVU-Sprecherin Christine Ehlers.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) rechnet nicht mit einer großen Welle von Klagen oder Gebührenforderungen. „Die Wahrscheinlichkeit ist relativ gering“, sagt vzbv-Expertin Lina Ehrig. Denn die Rechtslage ist keineswegs eindeutig geklärt. Raubkopien sind zwar verboten, nicht jedoch das Abspielen von Filmen, das so genannte Streaming, sofern der Inhalt dabei nicht aus dem Internet auf den eigenen Computer heruntergeladen werden. Und dies war die Regel bei kino-to. „Knackpunkt ist immer, ob eine Kopie hergestellt wird“, erläutert Ehrig. Eine Ungewissheit besteht allerdings. Denn aus technischen Gründen wird während des Streamings eine Kopie des Films zeitweilig in den Arbeitsspeicher des Computers geladen. Ob dieser Vorgang eine Urheberrechtsverletzung darstellt, ist zwischen Juristen umstritten. „Da gibt es noch keine Gerichtsentscheidung“, sagt Ehrig.
Auch der Kölner Medienrechtler Christian Solmecke hält es für unwahrscheinlich, dass die Rechteinhaber nun in großem Stile auf kleine Sünder los gehen. „Bislang ist mir kein Fall bekannt, in dem gegen Nutzer von Livestream-Portalen vorgegangen worden ist“, beruhigt der Anwalt. Er sieht eher die Hinterleute der Angebote im Visier der Filmindustrie. Die GVU das Verfahren ja auch im April mit einem Strafantrag ins Rollen gebracht.
So harmlos, wie das Unterhaltungsangebot auf den ersten Blick vielen erscheint, ist es nicht. GVU-Sprecherin Ehrig spricht von einer „digitalen Hehlerei“ mit hoher krimineller Energie. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des „Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur gewerblichen Begehung von Urheberrechtsverletzungen“. Auch bei kino.to ging es ums Geld, obgleich die Betrachtung von mehr als 22.000 Filmen kostenlos war. Mit Einblendungen von Erotikportalen, Reklame für Wettbüros, Premium-Zugängen zu anderen Filmanbietern und anderen Einnahmen wurde das Geschäftsmodell vermutlich zu einer lukrativen Gewinnquelle. Die Täter werden kaum so glimpflich davon kommen wie die Besucher ihrer Webseite. Den Raubkopien bereitzustellen, ist auf jeden Fall verboten.