In der Entwicklungspsolitik spielt die Kirche nach dem Staat die wichtigste Rolle. Serie „Wirtschaftsfaktor Gott“
Die Christliche Initiative Romero nervt. Das beabsichtigt die Entwicklungsorganisation aus Münster aber auch. Ein bisschen sollen sich die Bürger an ihr reiben, vor allem jedoch Unternehmen wie Adidas, Puma oder die US-Marke The North Face. Immer wieder recherchieren und dokumentieren die Münsteraner, wie wenig Geld Arbeiterinnen in den Textilfabriken Lateinamerikas oder Chinas wirklich verdienen. Die Forderung der CIR an die Adresse der Konzerne lautet: Zahlt Euren Beschäftigten Löhne, von denen sie auch leben können.
Den Namenszusatz „Romero“ hat sich die Initiative gegeben, weil sie den Kampf für Gerechtigkeit fortsetzen will, den Oscar Romero führte, der 1980 ermordete Erzbischof von El Salvador. Die unabhängige CIR nimmt kein Blatt vor den Mund, sie arbeitet konfliktorientierter als die Entwicklungsorganisationen der großen Kirchen. Rund 1,8 Millionen Euro aus Spenden und öffentlichen Zuschüssen konnte die Initiative 2009 für ihre politische Arbeit einsetzen.
Das sind bescheidene Mittel im Vergleich zu den Summen, die die Helfer der evangelischen und katholischen Kirche zur Verfügung haben. Die offizielle katholische Entwicklungsorganisation Misereor gab 2009 rund 177 Millionen Euro aus. Beim Evangelischen Entwicklungsdienst EED waren es 169 Millionen. Und die katholische Caritas investierte rund 43 Millionen Euro.
Nach dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), das die staatliche deutsche Entwicklungshilfe betreibt, spielen die kirchlichen Organisationen die größte Rolle. Diese Stellung basiert nicht zuletzt auf großzügigen Zuweisungen aus öffentlichen Mitteln: Alleine aus dem Etat des BMZ erhielten die großen kirchlichen Hilfsorganisationen 2010 rund 212 Millionen Euro.
Misereor, EED, Caritas und andere investieren dieses Geld nicht nur in Zelte, Decken und Medikamente, um den Opfern von Naturkatastrophen und Kriegen zu helfen. Ebenso geht es darum, die strukturellen Ursachen von Armut zu bekämpfen. Viele Mittel fließen in den Aufbau zukunftsträchtiger Bildungssysteme, die Vermarktung regionaler Produkte und die politische Bildung.
Und auch die großen kirchlichen Entwicklungsorganisationen begreifen sich teilweise als politische Lobby der Entwicklungsländer. Wenn etwa Misereor anprangert, dass billige deutsche Nahrungsmittelexporte den Lebensunterhalt afrikanischer Bauern zerstören, macht diese Kritik Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle und einigen deutschen Unternehmen keine Freude. Dann ist der Unterschied zwischen einer kleinen konfliktbereiten Organisation wie der Christlichen Initiative Romero und einem einflussreichen Hilfswerk wie Misereor nicht mehr groß.