Wetterdienst hält stärkere Erderwärmung für möglich
Die Erde wird sich nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) schneller erwärmen als erhofft. Im vergangenen Jahr stieg der CO2-Ausstoß auf weltweit 31 Milliarden Tonnen an, einen neuen Rekordwert. „Die bisher geringen Minderungserfolge zwingen uns, schon heute über Anpassungsmaßnahmen an ein Temperaturplus von drei Grad oder mehr nachzudenken“, warnte DWD-Präsident Gerhard Adrian. Wenn nicht rasch umgesteuert werde, laufe der Klimaschutz auf Grund. Dann müssten die nächsten Generationen die Folgekosten der Wetterveränderung alleine tragen.
Trotz kalter Winter und mäßiger Sommer bleibt der Trend zu wärmeren Wetter nach Ansicht der Experten intakt. „Leider können wir keine Entwarnung geben“, sagt DWD-Klimaforscher Gerhard Müller-Westermeier. 2011 könnte eines der wärmsten Jahre der Geschichte werden, auch wenn die Temperaturen im Juli unter dem langjährigen Durchschnitt bleiben. Im ersten Halbjahr waren alle Monate zu warm, zu trocken und zu sonnig Im Durchschnitt zeigte das Thermometer 1,5 Grad mehr an als üblich.
Das Jahr 2010 war das drittwärmste Jahr auf dem Globus seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. in Deutschland lagen die Temperaturen allerdings leicht unter dem üblichen Mittelwert. Eine Folge der Klimaveränderung war im vergangenen Jahr besonders gut sichtbar. Die Zahl der Tage mit starkem Niederschlag, also mehr als 30 Litern pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden, lag deutlich über dem langjährigen Mittelwert. In den ostdeutschen Hochwassergebieten beobachteten die Forscher drei Mal so viele Starkregenfälle wie in normalen Jahren. Die Zahl der Extremgüsse war in Brandenburg und Sachsen so hoch wie nie zuvor. Dies könne ab der Mitte des Jahrhunderts in ganz Deutschland zur Regel werden, erläutert Müller-Westermeier.
Zur Erderwärmung trägt neben die Ausstoß von Kohlendioxid auch ein ganz anderer Faktor bei. Die Luft wird sauberer, über dem Ruhrgebiet oder dem Chemiedreieck in Sachsen ist der Himmel wieder blau. Grund ist der sinkende Anteil von Staub- und Rußpartikeln in der Luft. Der kühlende Effekt der so genannten Aerosolen fällt immer weiter weg. Allein dies sorgt laut DWD für einen Temperaturanstieg um ein Grad. Adrian fordert auch deshalb stärkere Anstrengungen der Staaten zur Begrenzung des Klimawandels.
Dabei setzte der DWD-Chef vor allem auf den Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier sieht Adrians noch längst nicht alle Potenziale ausgeschöpft. Die zunehmend starken Regenfälle bringen demnach Ausbaumöglichkeiten bei Wasserkraftwerken mit, höhere Windräder an der Küste und auf See fahren höhere Stromerträge ein. Die Windkarten des Wetterdienstes zeigen auch, dass in den Mittelgebirgen und im Alpenraum zahlreiche denkbare Standorte für Windräder ungenutzt sind.
In diesem Jahr hat der DWD die Auswirkungen des Klimawandels auf die Bauwirtschaft untersucht. Auf die Branche kommt ein erheblicher Auftragsschub zu. Gebäude und Straßen müssen Hitzeperioden ebenso standhalten wie lang anhaltenden Regenfällen oder einer dicken Schneedecke. Damit steigend die Anforderungen an das Baumaterial sowie die Belüftung oder Isolierung von Gebäuden. Dächer müssen windfest gebaut, Keller stärker abgedichtet werden. Auch die Stadtplaner sind laut DWD gefordert. So müssen die Kommunen in Ballungsgebieten mit zeitweiligen Hitzestaus rechnen, wenn die Temperaturen im Sommer auf Extremwerte steigen. Dagegen hilft die Änderung der Bauweise von Gebäuden, aber auch die Einrichtung von Frischluftschneisen in den Wohnquartieren. Im Straßenbau hält der DWD Beton für den kommenden Baustoff, weil der herkömmliche Asphalt zu wärmeempfindlich ist. Die Bauleute selbst werden auch mehr zu tun haben. Denn die Zahl der Schlechtwettertage, an denen die Arbeit ruht, geht nach Einschätzung der Klimaforscher stark zurück.