Naturgesetz?

Kommentar

Es gab eine Zeit bei der Bahn, da standen auf den größeren Bahnhöfen Pünktlichkeitsanzeiger, Jeder Reisende konnte sofort erkennen, wie hoch der Prozentsatz an Verspätungen an dem betreffenden Tag war. Eine der ersten Dienstanweisungen des früheren Bahnchefs Hartmut Mehdorn bestand darin, diesen Beweis permanenten Versagens zu demontieren. Seither ist die Pünktlichkeitsstatistik ein gut gehütetes Geheimnis des Konzerns. Die Untersuchung der Stiftung Warentest zeigt auch, warum darüber ungern geredet wird. Nur jeder dritte Zug erreicht sein Ziel pünktlich. Die meisten Kunden der Bahn haben das immer schon geahnt. Auch, dass Anschlusszüge im Regionalverkehr nicht gerne auf verspätete Passagiere warten, weiß jeder Fahrgast. Fast scheint es, als wäre die Unpünktlichkeit der Bahn ein Naturgesetz, die Kritik daran zeitlos.

Aber natürlich ist die alltägliche Praxis kein in Stein gemeißeltes Gesetz, sondern eine Folge angehäufter Versäumnisse. Mit Verspätung hat die Bahn zum Beispiel in neue Züge investiert. Bis sie ausgeliefert werden, gehören technische Probleme und die damit verbundenen Fahrplanstörungen zum Alltag. Auch die zu geringen Investitionen des Bundes ins Netz sorgen für unpünktliche Züge. Es wurden und werden Milliardenbeträge in Prestigebauten gesteckt, die man besser für eine Beseitigung der Schwachstellen im Netz ausgegeben hätte. Der aktuelle Bahnchef Rüdiger Grube verspricht zwar Besserung, kann aber auch nicht zaubern und so alte Missstände beseitigen. Aber er wird sich künftig an den Verspätungen messen lassen müssen. Es wäre gut, wenn der Konzern offen mit den Problemen umgehen würde, statt sie wie bisher immer klein zu reden. Vielleicht verstauben irgendwo im Lager ja noch die alten Pünktlichkeitstafeln. Sie wieder aufzustellen, käme einer Art Gelöbnis zur Besserung gleich.