Atomarer Mittelweg

Kommentar zur Atom-Klage von Hannes Koch

Die Klage gegen die längeren Atomlaufzeiten vor dem Bundesverfassungsgericht hat keine schlechten Aussichten – soweit sich das in juristischen Dingen überhaupt prognostizieren lässt. Sollten die klagenden Bundesländer Recht bekommen, wäre dies aber nicht nur eine Niederlage für die Bundesregierung, sondern auch eine Chance, den gesellschaftlichen Frieden wiederherzustellen.

Fünf Länder mit SPD-Regierungsbeteiligung klagen dagegen, dass die Bundesregierung die Laufzeiten der Atomkraftwerke um mindestens 14 Jahre verlängert hat. Die Argumente der Kritiker haben Hand und Fuß: Plausibel können die Länder nachweisen, dass auf ihre Behörden mehr Aufgaben und Arbeit zukommen, wenn die AKW länger laufen. Deshalb, so sagen sie, sei es geboten, den Bundesrat in die Abstimmung einzubeziehen. Hinzu kommt, dass selbst einige Gutachter der Regierung diese Erwägungen teilten. Um das Gesetz jedoch unbschadet durchzubringen, hat Schwarz-Gelb darauf verzichtet, den Bundesrat zu fragen – ein möglicherweise entscheidender Fehler.

Aber nicht nur juristisch hat die Regierung für neue Konflikte gesorgt, sondern auch gesellschaftlich. Eigentlich war der alte, schmerzhafte Streit über die Atomkraft seit dem rot-grünen Konsens von 2002 beigelegt. Nur die Atomkonzerne hatten immer noch etwas zu nörgeln. Dank ihres Energiekonzeptes und längerer Atomlaufzeiten darf sich die Regierung nun auf weitere Jahre mit Demos, Blockaden und Gerichtsverfahren freuen.

Deshalb läge in einem Sieg der Länder vor dem Verfassungsgericht auch die Chance, den Konflikt erneut zu befrieden. Die Bundesregierung müsste Abschied nehmen von ihrer harten Haltung. Die Länder würden ihr im dann anstehenden Vermittlungsverfahren vielleicht etwas entgegenkommen. Und der Mittelweg einer eher symbolischen Verlängerung der AKW-Laufzeiten um vier Jahre wäre möglicherweise für alle Beteiligten tragbar.