Der Pranger im Internet wirkt

100 Tage nach Einführung des Portals Lebensmittelklarheit haben einige Hersteller auf die Kritik der Verbraucher reagiert / Bislang fast 4.000 Beschwerden über täuschende Lebensmittel

Der Ärger der Verbraucher über irreführende Angaben oder Verpackungsaufdrucken der ist offenkundig gewaltig. 100 Tage nach dem Start des Beschwerdeportals Lebensmittelklarheit haben Kunden sich bereits über 3.880 Produkte beschwert. Täglich kommen bis zu 30 neue Meldungen hinzu. „Wir haben den Nerv getroffen“, sagt der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Gerd Billen. Der Verband betreibt die vom Bundesverbraucherministerium finanzierte Webseite.

Am häufigsten landen Produkte am Internetpranger, bei denen bei denen es zwischen der Aufmachung auf der Vorderseite und den Inhaltsangaben auf der Rückseite einen Widerspruch gibt. Da verspricht ein Müsli-Hersteller in großen Lettern Honig und Nüsse oder Früchte , obwohl der Anteil der Zutaten minimal ist, beim Honig zum Beispiel nur 0,18 Prozent beträgt. Auch einen „Hering nach Hausfrauenart“ stellte der vzbv mit Angaben zum Hersteller ins Internet. In diesem Fall wird der Fisch mit Hefeextrakt und Säuerungsmitteln haltbar gemacht. Hausfrauen verwenden diese Stoffe in der Regel nicht. Ein Tafelwasser Pfirsich-Maracuja erweckt den Eindruck, das Wasser sei mit Säften beider Obstsorten vermischt. Tatsächlich findet sich zwei ein Minianteil von Pfirsichsaft darin, aber kein Tropfen einer Maracuja.

Am häufigsten beklagen sich Kunden über die Kennzeichnung und die Angaben zu Zutaten und Zusatzstoffen. Vor allem bei Chips und Fertigsuppen ärgern sich Verbraucher, dass die Produkte angeblich keine Geschmacksverstärker enthalten, auf der Rückseite als Zutat jedoch Hefextrakt angegeben ist, das exakt diese Aufgabe erfüllt. Eine für viele Käsefreunde ärgerliche Lücke im Recht wird auch immer wieder genannt. Die Verordnung schreibt keine gesonderte Erwähnung vor, wenn Käse aus Kuhmilch gewonnen wird. Mancher Ziegenkäse oder Mozzarella entpuppt sich aber als solcher.

„Was drauf steht, muss auch drin sein“, fordert Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU), die aufgrund des großen Andrangs noch einmal 200.000 Euro mehr für den Betrieb des Portals bereit stellt. Aigner kündigte an, dass die gesetzlichen Regelungen zur Kennzeichnung wenn nötig überarbeitet werden. So sollen Leitlinien für die Bezeichnung regionaler Produkte entwickelt werden. Auch hier mogeln Hersteller zum Verdruss der Verbraucher. Verwirrend sind mitunter auch die Regelungen für Spezialitäten wie die Kalbswiener. Wenn Käufer glauben, die Würste bestünden aus reinem Kalbfleisch, liegen sie falsch. Lediglich 15 Prozent muss der Anteil betragen. Den Rest steuert das preisgünstigere Schwein bei.

Derzeit veröffentlicht der vzbv 72 Produkte vom Apfelsaft bis zum Zwieback, die auch nach Rücksprache mit dem Hersteller als täuschend eingestuft werden. Die Nennung von Ross und Reiter wirkt offenkundig. 19 Firmen haben nach der Kritik der Verbraucher aufgenommen und ihre Kennzeichnung oder Aufmachung geändert. In sieben Fällen hat der Verband Unternehmen abgemahnt, weil die Irreführung gravierend war. Ein Produkt wurde danach ganz vom Markt genommen.

Die Organisation Foodwatch und die Grünen fordern Aigner nun auf, aus der Kritik Konsequenzen zu ziehen und die Kennzeichnungsregelungen zum Schutz der Kunden deutlich zu verschärfen.