Liebe zum Bargeld erkaltet

Smartphone zum Bezahlen immer wichtiger

Zum Bargeld haben die Deutschen eine innige Beziehung. Während in vielen Ländern Europas vor allem mit Karte oder mobil bezahlt wird, hängen die Bundesbürger an Scheinen und Münzen. Doch die Liebe erkaltet langsam, wie aus einer repräsentativen Umfrage der Bundesbank hervorgeht. Der Trend geht offenbar zum mobilen Zahlen – per Smartphone, Uhr oder Fitnessarmband.

„Mobile Bezahlarten wachsen stark“, sagte Burkhard Balz aus dem Vorstand der Bundesbank. Zwischen 2021 und 2023 hätten sie ihren Anteil an allen praktisch verdreifacht. „Allerdings auf niedrigem Niveau. Die Richtung ist allerdings deutlich.“ Noch machen solche Zahlarten der Umfrage zufolge nur sechs Prozent aller Einkäufe und auch der Umsätze aus. Besonders stark im Geschäft ist der US-Technologiekonzern Apple, dessen Zahlprogramm mit weitem Abstand vor Bezahl-Apps von Banken und Sparkassen liegt. Die anderen US-Anbieter wie Google oder Paypal sind abgeschlagen, haben auch Marktanteil verloren.

Auch bei Frage, wie die Deutschen am liebsten bezahlten, hätten sie mehrere Möglichkeiten, nannten zuletzt nur noch 28 Prozent Bargeld, 2021 waren es noch 30 Prozent. 44 (2021: 41) Prozent griffen lieber zur Karte oder vor allem dem Mobiltelefon. Solche mobilen Verfahren sind besonders bei Jüngeren zwischen 18 und 35 Jahren beliebt, die mit den Geräten und deren technischen Möglichkeiten groß geworden sind.

Und noch etwas deutet daraufhin, dass Bargeld unwichtiger wird: Fast die Hälfte der Deutschen erwartet, dass Bargeld in den nächsten 15 Jahren aus dem Alltag verschwunden sein wird, jeder zehnte sogar, dass es abgeschafft wird. Allerdings wollen 63 Prozent weiterhin Bargeld wie bisher nutzen – was etwas im Widerspruch zum Verhalten der vergangenen Jahre steht. Denn die Bargeldnutzung nimmt stetig ab, im vergangenen Jahr wurden noch 51 Prozent aller Käufe mit Bargeld bezahlt, zwei Jahre zuvor waren es 58 Prozent. Nach Umsätzen werden nur 26 Prozent bar bezahlt, 32 Prozent mit Debitkarten, in Deutschland die Girocard, umgangssprachlich EC-Karte. Es sind also vor allem kleinere Beträge, für die die Bundesbürger zu Münzen und Scheinen greifen: Wocheneinkauf mit Karte, Brötchen am Wochenende bar.

Insgesamt gehören die Bundesbürger zu denen in Europa, die Bargeld am meisten nutzen. Ähnlich sieht es bei Österreichern und Italienern aus. In Skandinavien sieht es anders aus: Es gibt Bargeld, wird nur selten verwendet. In Norwegen zum Beispiel beträgt der Anteil von Münzen und Scheinen an den Käufen nach einer Studie der Europäischen Zentralbank nur drei Prozent, in Dänemark und Schweden sind es zwischen acht und zehn Prozent. Die Statistiker der EZB ermittelten die Zahlen etwas anders als die Bundesbank. Die Richtung ist aber eindeutig.

Zuletzt bemerkten viele Europäer, die zur Europameisterschaft anreisten, dass die Deutschen beim Bezahlen etwas anders ticken. Sie konnten in manchen Restaurants und auf Fanmeilen nicht mit Karte zahlen. Schwierig vor allem, wenn man aus einem Land außerhalb der Euro-Zone mit anderer Währung kommt. Und auch in Städten mit sehr vielen ausländischen Touristen wie Berlin, wo sich oft in verschiedenen Sprachen im Restaurant bestellen lässt, kann manchmal nur bar bezahlt werden. Doch das nimmt ab. 2023 akzeptierten der Bundesbank zufolge 70 Prozent der Restaurants und Lieferdienste Kartenzahlung, zwei Jahre zuvor waren es nur 48 Prozent. Im Einzelhandel, an Tankstellen und in Behörden liegt die Quote inzwischen bei 90 bis 95 Prozent.

Während Karten langsam überall angenommen werden, nimmt der ein oder andere sogar kein Bargeld mehr. Vor allem Behörden verbannen Bargeld. Bei der Hälfte ließen sich Pässe oder andere Dokumente nur mit Karte bezahlen. Vor zwei Jahren waren es noch knapp ein Drittel. „Die Behörden wollen wohl keine großen Bargeldmengen im Haus haben“, sagte Bundesbank-Vorstand Balz.

An Bargeld zu kommen, wird schwieriger, zumindest empfinden es die Menschen so. Banken und Sparkassen bauten in den vergangenen Jahren Geldautomaten. Gab es 2020 noch 57.000, waren es Ende Juni 2023 nur noch 50.900, Tendenz fallend. Auch die Zahl der Filialen sinkt seit Jahren. Dafür gibt es Balz zufolge praktisch flächendeckend Geld an Supermarktkassen – allerdings nur verbunden mit einem Einkauf.

Auch die Bundesbank passt sich dem verringerten Interesse an Bargeld an. So werden acht der 31 Standorte geschlossen, dafür vier neue, modernere eröffnet. Deutschland mit Euro-Bargeld zu versorgen, ist eine der wesentlichen Aufgaben der Bundesbank. „Wir und die EZB glauben an Bargeld. Sonst würden wir nicht so viel Ressourcen in die neue, dritte Serie der Euro-Banknoten stecken.“ Wie sie aussehen soll, wird wahrscheinlich 2026 entschieden. Der digitale Euro, eine Art virtueller Zwilling, an dem die EZB arbeitet, ergänzt für Balz die klassischen Münzen und Scheine. Er kommt nicht vor Ende des Jahrzehnts, wenn überhaupt.

Die Marktforscher von Forsa haben im Auftrag der Bundesbank 5698 Bundesbürger befragt, die unter anderem drei Tage lang aufschrieben, was sie wo wie bezahlt haben. So flossen Restaurantbesuche, Supermarkteinkäufe und Onlinebestellungen ein. Alles, was regelmäßig vom Konto abgebucht wird, Streamingabos, Telefon- oder Stromkosten und Miete etwa, ist nicht erfasst. Die Umfrage ist repräsentativ für die deutschsprachige Bevölkerung.