Unterschiedliche Zeugnisse oder Abschlüsse erschweren EU-Bürgern die Bewerbung für einen Job in einem anderen Land. Ein neues System soll Abhilfe schaffen.
Mit einem deutschen Gesellenbrief kann ein portugiesischer Tischler nicht viel anfangen. Im Gegenzug dazu wird ein deutscher Tischler seine Probleme mit den Zeugnissen von italienischen oder spanischen Bewerbern haben. Das mag zum einen an fehlenden Sprachkenntnissen liegen. Zum anderen lassen sich die Bildungsabschlüsse der einzelnen Länder nur schwer vergleichen. Das soll sich ändern. Die EU- Länder tüfteln derzeit an einem System, mit dem sich das Problem beheben lässt.
Jeder Bildungsabschluss in der Europäischen Union soll künftig auf einer achtstufigen Werteskala des „Europäischen Qualifikationsrahmens“ (EQR) eingeordnet werden. Arbeitgebern soll die Einteilung helfen, die Abschlüsse und Qualifikationen von Bewerbern besser bewerten zu können. „Neben Bologna ist das ein weiterer wichtiger Schritt für verstärkte Mobilität in Europa“, urteilt Bundesbildungsministerin Annette Schavan.
„Unternehmen, die zum Beispiel im Ausland nach Fachkräften suchen, brauchen ein Übersetzungsinstrument, um Zeugnisse, Qualifikationen und Abschlüsse der Bewerber besser verstehen zu können“, erläutert Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). „Mit dem Ausweis der EQR-Niveaustufe auf dem Zeugnis sieht der Arbeitgeber künftig, welche Kompetenzen und Qualifikationen der Bewerber mitbringt.“
Grundlage für den EQR bilden nationale Qualifikationsrahmen, die die einzelnen Länder derzeit erarbeiten. Über den Qualifikationsrahmen hierzulande, den „Deutschen Qualifikationsrahmen“ (DQR), herrschte lange Streit. Inzwischen haben sich die Macher des DQR –
darunter beispielsweise das Bundesbildungsministerium, die Kultusministerkonferenz (KMK) und das Bundesinstitut für Berufsforschung – geeinigt, welcher der acht Stufen sie welchen Abschluss zuteilen. Schulische Ausbildungen bleiben zunächst einmal außen vor.
Und so sieht die Einteilung aus: Ein Maschinenführer mit einer zweijährigen Berufsausbildung kommen auf Stufe drei der Werteskala, ein Rettungsassistent mit dreijähriger Lehre wird der Stufe vier zugeordnet. Ein deutscher Bäckermeister kommt gemeinsam mit dem Sozialwissenschaftler mit Bachelor-Titel auf Stufe sechs. Stufe sieben gibt es für den Personalmanager mit Master-Titel oder den Diplom-Ingenieur. Promovierte Akademiker kommen auf Stufe acht.
In fünf Jahren wollen die Beteiligten die Einteilung noch einmal überprüfen. „Bis sämtliche EU-Länder nationale Qualifikationsrahmen entwickelt und umgesetzt haben“, so Esser, „wird es aber noch eine Weile dauern.“ Hinzu komme die Aufgabe, dass die jeweiligen Qualifikationsrahmen an den Europäischen Qualifikationsrahmen angepasst sein müssten.
Die Einteilung der Kompetenzen und Qualifikationen in Stufen soll nicht nur Mobilität der EU-Bürger verbessern. Deutschland bringt der nationale Qualifikationsrahmen einen weiteren Vorteil. „Zum ersten Mal ist die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung Schwarz auf Weiß festgeschrieben“, erläutert Esser. „Das ist ein wichtiger Schritt in ein integriertes Bildungssystem.“
Stärkere Verknüpfung der Bildungssysteme
Hierzulande stehen die Systeme der allgemeinen, beruflichen und der Hochschulbildung derzeit immer noch weitestgehend unabhängig nebeneinander da. Wer beispielsweise einen Beruf gelernt hat, kann nicht einfach einen Master an der Hochschule anschließen. Künftig sollen berufliche und Hochschulbildung besser kombinierbar sein. Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) gibt den Bundesländern ein Instrument in die Hand, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Bildungssysteme besser miteinander zu verknüpfen und durchlässiger zu machen.