Ein Datum ohne Wert

Durch mehr Aufklärung sollen weniger Lebensmittel im Müll landen

Das auf Lebensmittelverpackungen angegebene Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) sagt nichts über den Zeitpunkt aus, an dem der Inhalt schlecht oder ungenießbar wird. „Es ist kein Wegwerfdatum, sondern eine Orientierungshilfe“, betont Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU). Zusammen mit dem Handel will das Ministerium die Kunden im Supermarkt besser über die Bedeutung des Aufdrucks aufklären. Denn oft werfen Verbraucher die Ware ungeprüft fort, wenn das Datum überschritten ist. Dabei sind der Joghurt oder der Fertiggericht noch eine ganze Weile genießbar.

Die Aktion in den Märkten ist Teil der Kampagne Aigners gegen die Verschwendung von Nahrungsmitteln. Elf Tonnen Lebensmittel landen jährlich im Müll. Privathaushalte werfen durchschnittlich 82 Kilogramm anscheinend verdorbener Ware fort. Zwei Drittel der Erzeugnisse wären noch verwendbar. Ein Grund für die Abfallberg ist der von vielen Kunden missverstandene Haltbarkeitshinweis. Statt die Lebensmittel gleich zu entsorgen, rät Aigner den Verbrauchern zum Gütetest auf. „Sehen, riechen und probieren“, fordert die Ministerin von den Konsumenten. Dabei zeige sich rasch, ob die Ware noch in Ordnung ist.

Die umstrittene Kennzeichnung gibt es bereits seit 30 Jahren. Der Aufdruck findet sich nicht auf allen Lebensmitteln. Bei Milchprodukten oder abgepackten Brot ist er selbstverständlich, bei losem Obst und Gemüse fehlt der Hinweis. Das Datum besagt lediglich, bis zu welchem Tag die Ware auf jeden Fall seine wichtigsten Eigenschaften wie den Geschmack behält. Über die tatsächliche Haltbarkeit sagt der Hinweis nichts aus. Auf Verpackungen mit Frischfleisch, Geflügel oder Fisch steht dagegen das leichter verständliche Verbrauchsdatum. Bis zu diesem Tage sollte die Ware verzehrt werden, weil Keime das leckeren Steak danach schnell in Gammelfleisch verwandeln.

In die Kritik ist das MHD auch geraten, weil die Industrie hier bei der Kennzeichnung Spielräume hat. Entweder aus Vorsicht oder aufgrund eigener Geschäftsinteressen, so vermuten Skeptiker, werde ein Tag lange vor dem Verderben als Stichtag gewählt. „Wir fordern eine Festlegung des MHD aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse“, sagt die grüße Ernährungsexpertin Nicole Maisch. Für das Übermaß an Lebensmittelabfällen macht die Abgeordnete auch die Industrie verantwortlich. „Viele Lebensmittel vergammeln, weil sie nur in Großfamiliendimensionen erhältlich sind“, wirft Maisch den Herstellern vor. Die Verarbeiter bestreiten den Vorwurf. Die Unternehmen würden an einer Optimierung der Verpackungsgrößen und Gebinden arbeiten, teilt der Branchenverband der Ernährungsindustrie (BVE) mit.

Mit Tipps für den Umgang mit der gekauften Ware wollen Regierung und Handel für einen verantwortungsvolleren Umgang mit Nahrungsmitteln werben. Auf Faltkärtchen und Flyern erklären die Experten, wie man die Ware am besten frisch hält, dass schimmliges Brot besser entsorgt wird und die sich mit der Zeit bildende Wasserschicht auf dem Joghurt gesundheitlich unbedenklich ist.