Kommentar zum Mindestlohn von Hannes Koch
„Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit“, sagte Astronaut Neil Amstrong, als er den Mond betrat. In Anlehnung daran kann man zum Mindestlohn-Beschluss der CDU feststellen: Ein riesiger Satz für die CDU, aber ein kleiner für die Beschäftigten.
Die CDU ist über ihren liberalen Schatten gesprungen. Eingriffe in die Lohnfindung der Wirtschaft wird es künftig flächendeckend geben. Existiert kein Tarifvertrag, soll die Politik zusammen mit Gewerkschaften und Arbeitgebern eine Mindestbezahlung festlegen. Auch die Christdemokraten wollen in den Zeiten einer neuen Kapitalismuskritik nicht mehr tolerieren, dass Millionen Beschäftigte von ihrer Arbeit nicht einmal das Existenzminimum bestreiten können.
Einige hunderttausend Arbeitnehmer, die bisher kein Tarifvertrag schützt, dürften davon in den kommenden Jahren profitieren. Es sind diejenigen, deren Löhne noch unter der künftigen Minimalbezahlung von möglicherweise sechs Euro brutto liegen. Diese Hungergehälter werden steigen. Aber was ist mit Verkäuferinnen, Friseurinnen, Gärtnern und Millionen weiterer Arbeitnehmer, die Niedriglöhne auf Basis eines gültigen Tarifvertrages erhalten? Die Gewerkschaften sind mittlerweile so schwach, dass sie nicht einmal für alle Mitglieder die existenzsichernde Bezahlung durchsetzen können.
An diesem Punkt bringt der CDU-Mindestlohn erst einmal gar nichts. Wir leben weiter mit Armut trotz Arbeit, die einer zivilisierten Gesellschaft unwürdig ist. Hier gibt es nur zwei Möglichkeiten: einen höheren Mindestlohn für alle oder die flächendeckende Aufstockung der Niedriglöhne durch den Staat. Mit dieser für sie nicht angenehmen Alternative müssen sich die Christdemokraten auseinandersetzen. Die CDU-Sozialdebatte ist mit Leipzig nicht beendet. Dem großen Schritt der CDU könnte bald ein weiterer folgen.