„Er kann Kanzler, aber es würde nicht gutgehen“, sagt Theo Waigel über den Kanzlerkandidaten der SPD
Peer Steinbrück ist ein „Spieler“ – einer, der Schach ziemlich gut beherrscht. Am 7. März 2005 in der Bonner Kunsthalle hält er gegen den ehemaligen Weltmeister Wladimir Kramnik immerhin 37 Züge durch. Am Schachspiel reizen ihn Strategie, Variantenreichtum und die „Duellsituation“, hat Steinbrück seinen Biographen Eckart Lohse und Markus Wehner erzählt. Die fügen hinzu, Steinbrück bevorzuge außerdem Sportarten wie Billard und Tennis, bei denen er nicht „von einer Mannschaft abhängig“ sei.
So steht es in dem Buch „Steinbrück. Biographie“, das Lohse und Wehner, beide Berliner Korrespondenten der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, kürzlich präsentierten. Kommentare zum Werk lieferte CSU-Pensionär Theo Waigel. Die große Frage des Buches und des Abends lautete: Wäre es eine gute Idee, wenn Peer Steinbrück – Ex-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Ex-Bundesfinanzminister und Ex-Vize-SPD-Vorsitzender – Kanzlerkandidat und 2013 möglicherweise deutscher Bundeskanzler würde?
Der Portraitierte hat das wohlwollend-kritische Buch unterstützt, indem er den Autoren für zwei längere Gespräche zur Verfügung stand. Peer Steinbrück (65) entstammt einer teils großbürgerlichen Familie. Einer seiner Vorfahren väterlicherseits gründet 1854 das Berliner Bankhaus Delbrück, Leo & Co. und 1870 die Deutsche Bank. In der Fortsetzung dieser Tradition studierte Steinbrück Volkswirtschaft und ist heute er eher auf der rechten Seite der SPD verortet.
Er ist wirtschaftsnah, aber nicht wirtschaftshörig. Vor der Finanzkrise hatte er gegen Deregulierung und Steuersenkungen zugunsten von Unternehmen und Kapitalinvestoren wenig einzuwenden. Später revidierte er manche Positionen und bekennt sich mittlerweile zu begrenzten Steuererhöhungen zu Lasten der Besitzenden und einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte. Wie Kanzlerin Angela Merkel fordert er, das „Primat der Politik“ gegenüber der Wirtschaft zu erneuern.
Steinbrück ist einer der wenigen Spitzenpolitiker, die ökonomische und soziale Interessen halbwegs glaubwürdig miteinander verbinden. Er macht sich stark für den Banken-Standort Frankfurt, sagt den Managern aber auch, dass sie bis zur Hälfte ihres Profites abgeben müssen, um Schulen, Kitas und Arbeitslosengeld zu finanzieren. Als es in der Finanzkrise hart auf hart kam, stellte er sich zusammen mit Kanzlerin Merkel am 5. Oktober 2008 vor die Kameras und versprach den Bundesbürgern, ihre Bankkonten seien sicher – ohne zu wissen, was das den Staat im Extremfall kosten würde.
Dass sie ihr Buch über diesen Mann geschrieben haben, begründen die Autoren auf den ersten Seiten so: Steinbrück stehe als einziger weit oben auf der Beliebtheitsskala in Wählerumfragen, obwohl er nur normaler Bundestagsabgeordneter sei. Daraus folgern Lohse und Wehner, dass Steinbrück ein Amt nicht braucht, um Menschen zu beeindrucken. Er sei ein „atypischer Politiker“.
So sieht Steinbrück sich auch selbst, wie seinem Lebensabschnittsbuch „Unterm Strich“ von 2010 zu entnehmen ist. Darin feiert er sich als aufgeklärten Sozialdemokraten, der von der piefigen Ortsverein-SPD und ihrer Sozialromantik nicht gebremst wird. Gerne bürstet er die Probleme gegen den Strich und pflegt eine schneidende Widerborstigkeit. Für Außenstehende lustig, in den Augen der Öffentlichkeit legendär, für die Betroffenen verletzend sind Redewendungen wie die über die SPD als Partei der „Heulsusen“ oder über die Steueroase Schweiz als Indianerstamm, dem man mit der US-Kavallerie drohen solle.
Steinbrück hat keine Probleme, sich Feinde zu machen. Die rot-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen stürzte er in Dauerstress, ohne für die SPD oder das Land viel dabei herauszuholen. Mit ihm als Kanzler könnte es sehr bunt werden. Er mag, wenn es knallt und raucht und zischt. Entschuldigungen sind seine Sache nicht.
„Eine seiner großen Schwächen ist seine Arroganz“, schreiben Lohse und Wehner. Einen „langjährigen Mitarbeiter“ zitieren sie mit dem Satz: „Steinbrück mag die Menschen nicht“. So kam Theo Waigel zu dem auch parteipolitisch motivierten, möglicherweise aber nicht falschen Fazit: „Steinbrück kann Kanzler, aber es würde nicht gutgehen.“
Was bedeutet das für die SPD? Von den drei Angehörigen des sozialdemokratischen Führungstrios hat Sigmar Gabriel die schlechtesten Chancen als Kandidat. Vielleicht würde die SPD mit Peer Steinbrück mehr Stimmen bei der Bundestagswahl holen als mit Frank-Walter Steinmeier. Dieser jedoch wäre vermutlich geeigneter, eine solide sozialdemokratische Regierungsarbeit abzuliefern. Im Augenblick allerdings sieht es danach aus, als wenn sich alle drei wieder nur als Juniorpartner in der großen Koalition unter Kanzlerin Merkel wiederfinden.
Eckart Lohse/ Markus Wehner: Steinbrück. Biographie. München 2012. Droemer Verlag. 364 S., 19,99 €.