Kommentar
Deutschland droht wenigstens langfristig ein dramatischer Pflegenotstand. Aus eigener Kraft wird sich das Problem nicht lösen lassen. Jede zweite Frau und jeder dritte Mann muss im Alter mit Demenz rechnen. Der Grund: Die Menschen werden älter, nicht kränker. Neue Ideen und Konzepte sind folglich gefragt. Die Union packt hier gerade ein sehr heißes Eisen an und will den Arbeitsmarkt für private Pflegekräfte praktisch für alle Länder der Welt öffnen.
Die Idee weist in die richtige Richtung, auch wenn man über die Ausformung noch gut nachdenken muss. Fakt ist, dass in zehn oder zwanzig Jahren ein eklatanter Mangel an jungen Menschen auftreten wird. Diese Generation wird für viele andere wichtige Aufgaben von der Gesellschaft gebraucht. Sie müssen die Wirtschaft in Gang halten und mit neuen Ideen für wettbewerbsfähige Produkte sorgen und sie müssen mit ihrer bezahlten Arbeit die Sozialsysteme finanzieren. Es wird daher kaum möglich sein, ihnen auch noch die Pflege ihrer Eltern oder Großeltern aufzuerlegen.
Allein schon aus diesem Grund werden weitere Hilfskräfte benötigt. Da die Problematik in den wichtigsten EU-Ländern vergleichbar ist, bleibt nur die Suche anderswo. Die Umsetzung ist allerdings schwierig. Wie kann eine qualitativ angemessene Versorgung sichergestellt werden? Wie werden pflegende Zuwanderer vor bodenloser Ausbeutung geschützt? Kann gewährleistet werden, dass das Pflegepersonal nicht nebenbei noch schwarz arbeitet und es dadurch Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt gibt?
Es wäre ein leichtes, den Vorschlag der Union zu verdammen, weil er noch mit vielen Risiken behaftet ist. Aber es wäre auch leichtfertig. Denn wer das Problem lösen will, wird an unangenehmen Wahrheiten nicht vorbeikommen. Das weiß niemand besser als jene, die heute schon pflegebedürftige Angehörige versorgen. Der Zugang zur Pflegeversicherung ist schwer und Hilfe teuer.