Studie: Viele Hochschulabsolventen landen erst einmal im Praktikum anstatt im festen Job/ Gewerkschaften fordern Verbot für Praktika nach dem Uni-Abschluss
Vier von zehn Praktikanten arbeiteten nach dem Abschluss des Studiums ohne Lohn. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Generation Praktikum 2011“. Die Gewerkschaften fordern nun die Abschaffung der Jungakademiker-Praktika. Gleichzeitig machen sie sich für einen Mindestlohn für die Lernverhältnisse stark. „Den Missbrauch von Praktika müssen wir stoppen“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Ingrid Sehrbrock. Man dürfe qualifizierte Hochschulabsolventen als Praktikanten nicht ausbeuten.
Für die Studie wurden im vergangenen Jahr insgesamt 674 Absolventinnen und Absolventen aus vier Hochschulen befragt: der Freien Universität Berlin, der Universität zu Köln und den Universitäten in Hamburg und Rostock. Gemeinsam und zum zweiten Mal haben die Hans-Böckler-Stiftung und der DGB die nicht repräsentative Untersuchung zur Berufserfahrung junger Menschen initiiert.
Zwar hat sich die Lage seit der ersten Erhebung, die im Jahr 2007 veröffentlicht wurde, leicht gebessert. Damals wurden noch 45 Prozent der Praktika nicht bezahlt, heute sind es 40 Prozent. Einen wirklichen Lichtblick bedeutet dies dennoch nicht. Denn innerhalb dieses Zeitraums ist das Durchschnittseinkommen der bezahlten Praktika gesunken – von 600 auf 551 Euro brutto im Monat. Bezogen auf vier volle Arbeitswochen im Monat entspricht das einem mittleren Stundenlohn von 3,77 Euro.
In der Bezahlung sieht DGB-Bundesjugendsekretär René Rudolf ein Problem. „Davon lässt sich kein Lebensunterhalt bestreiten“, bemängelte er. Dass dem so ist, zeigt ein Blick auf die Quellen, die Absolventen für die Finanzierung ihres Praktikantendaseins ausfindig machen: Mehr als jeder zweite bekommt Unterstützung von den Eltern. Fast jeder vierte der Befragten wird vom Partner unterstützt. Etwas über 40 Prozent greifen auf Ersparnisse zurück. Und ebenfalls rund 40 Prozent jobben nebenher.
Jeder fünfte Praktikant gibt sogar an, auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Als „besonders skandalös“ bezeichnet der DGB dieses Ergebnis. „Praktika dürfen keine vorgelagerte Probezeit darstellen, die noch dazu aus eigener Tasche –
oder besser: der Tasche der Eltern und durch Sozialleistungen – finanziert werden müssen“, sagte DGB-Bundesjugendsekretär René Rudolf.
Mithilfe eines Praktikums ersehnen sich viele Absolventen den Einstieg in die Arbeitswelt. Die Hälfte der Praktikanten – so ein weiteres Ergebnis der Studie – hofft auf einen „Klebeeffekt“. Diese Hoffnung erfüllt sich in den meisten Fällen jedoch nicht. Tatsächlich erhält nur jeder Fünfte am Ende des Praktikums ein Übernahmeangebot im Sinne einer regulären Anstellung. Wer solch ein Angebot bekommt, schlägt es selten aus.
Zwar ergeht es Akademikern auf dem Arbeitsmarkt besser als jungen Menschen ohne Hochschulabschluss. Unbefristete Arbeitsverträge halten sie unmittelbar nach dem Studium dennoch selten in Händen. 28 Prozent der Befragten absolvieren laut Studie erst einmal ein Praktikum, ein Trainee-Programm oder ein Volontariat. Ähnlich viele – 27 Prozent – landen in befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Nur 19 Prozent können sich über eine unbefristete Stelle freuen.
Längerfristig zeigt sich ein etwas anderes Bild: Innerhalb von dreieinhalb Jahren nach dem Ende des Studiums haben rund 40 Prozent der Befragten mindestens ein Praktikum oder eine praktikumsähnliche Beschäftigung absolviert. „Viele Unternehmen denken offenbar nicht mehr daran, Absolventen direkt nach dem Studium regulär zu beschäftigen“, urteilte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Sehrbrock. Praktikanten würden immer mehr als fester Bestandteil im Betrieb gesehen und leisteten vollwertige Arbeit – zu einem Spottpreis. Mit dieser Aussage stützt sie sich auf folgendes Studienergebnis: Immer mehr Praktikanten geben an, dass die Ergebnisse ihrer Arbeit fest im Betriebsablauf eingeplant waren: 2007 sagten das knapp 50 Prozent und 2011 waren es 75 Prozent.
Trotz des drohenden Fachkräftemangels würden Praktikanten immer noch als billige Arbeitskräfte ausgebeutet, lautet das Fazit des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Er fordert nun ein Aus für Praktika nach dem Studium – und endlich tariflich bezahlte Arbeitsverhältnisse oder Berufseinstiegsprogramme für Hochschulabsolventen. Für alle anderen Praktika müsse eine Aufwandsentschädigung von mindestens 300 Euro festgelegt werden.
Der Arbeitgeberverband zeigt sich von diesen Vorschlägen nicht begeistert. „Gesetzliche Restriktionen würden ein wichtiges und vielfältiges Instrument der Berufsorientierung beschädigen“, sagte ein Sprecher der Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA). Wer Praktika unnötig verkompliziere, verbaue einen wertvollen Weg in den Arbeitsmarkt. Die „Generation Praktikum“ sei eine Legende.