Das Interview
Die Stuttgarter Schlichtung beflügelt die Diskussion um mehr Bürgerbeteiligung. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer plädiert für kürzere Planungsverfahren und eine bessere Kommunikation bei Großprojekten. Mit dem 56-jährigen CSU-Politiker sprach unser Korrespondent Wolfgang Mulke. Ramsauer ist verheiratet und Vater von vier Töchtern.
Frage: Hat Heiner Geißler im Schlichtungsverfahren zu Stuttgart 21 gute Arbeit geleistet?
Peter Ramsauer: Heiner Geißler hat für eine offene und transparente Kommunikation gesorgt und die Lage in der Region befriedet. Die Schlichtungsgespräche haben zur Versachlichung des aufgeheizten Konflikts um Stuttgart 21 beigetragen. Es war ein Kraftakt, die Befürworter und Gegner des Projekts von der Straße an den Verhandlungstisch zu holen. Das hat Heiner Geißler geschafft. Hut ab vor solch einer Leistung – und das mit 80 Jahren.
Frage: Wie kann die Politik dem Vertrauensverlust in weiten Teilen der Bevölkerung begegnen?
Ramsauer: Ich sehe den Vertrauensverlust nicht. Die Öffentlichkeit in Stuttgart konnte davon ausgehen, dass das Bahnhofsprojekt so umgesetzt wird, wie es seit Jahren dargestellt wurde – u.a. im Infobus vor dem Bahnhof. Ich kenne kein Land in der Welt, in dem es so ausgeprägte Planungen mit Bürgerbeteiligung gibt wie in Deutschland. Manchmal dauern die Verfahren deshalb leider 30 oder 40 Jahre. Allerdings wurde die Kommunikation in Stuttgart irgendwann vernachlässigt. Man hätte die Menschen mehr mitnehmen müssen.
Frage… Manche Berliner sehen es anders. Anwohnern des neuen Großflughafen wurden jahrelang andere Einflugschneisen vorgegaukelt als jetzt im Gespräch sind….
Ramsauer… Dort, wo es einen Vertrauensverlust geben könnte, mache ich mich für eine verlässliche Politik stark. Das ist zum Beispiel bei der Auswahl der Abflugrouten beim neuen Berliner Großflughafen der Fall. Die Betreiber und politisch Verantwortlichen sollen so handeln, wie sie es seit rund zehn Jahren kommunizieren. Auf dieser Grundlage haben sich viele Menschen Grundstücke gekauft und Häuser gebaut. Auch ein Lärmschutzprogramm wurde für einige Gebiete aufgelegt. Daran hat die Öffentlichkeit geglaubt und das soll sie auch weiterhin. Ich kann zwar keine Flugrouten anordnen, aber mich politisch für Verlässlichkeit stark machen.
Frage: Muss die Politik nicht einen anderen Umgang mit der Bevölkerung bei Großprojekten lernen?
Ramsauer: Vielleicht sind die gewohnten Verfahren in die Jahre gekommen und wir müssen das ein oder andere überdenken. Einerseits sollen wir schneller werden, andererseits stärker die Bürger beteiligen. Das ist die Quadratur des Kreises, die man allerdings angehen muss. Es sollten sich aber auch die Befürworter von Großprojekten stärker zu Wort melden. Denn diese sind nicht nur eine Angelegenheit der Politik. In Stuttgart haben sich zum Beispiel große Teile der Wirtschaft zu lange zurückgehalten und die Prügel allein der Politik zukommen lassen.
Frage: Wären mehr Bürgerentscheide eine Lösung?
Ramsauer: In Bayern haben wir viele Bürgerentscheide und gute Erfahrungen damit. Oft sind aber die Befürworter von mehr Bürgerentscheiden eben diejenigen, die deren Ergebnisse nicht akzeptieren. Man darf nicht nur mehr Bürgerbeteiligung fordern, sondern muss dann auch unerwünschte Ergebnisse akzeptieren.
Frage: Sie haben bei der Bahn ja noch andere Großbaustellen, für die ihnen weitgehend das Geld fehlt. Wie wollen Sie die Schienenwege finanzieren?
Ramsauer: Wir mussten einige Projekte verschieben, weil sie momentan nicht wirtschaftlich sind. Das heißt aber nicht, dass das in 10 Jahren immernoch so ist. Aber es stimmt: Wir haben mehr Bedarf, als wir derzeit finanzieren können. Die Deutsche Bahn muss aus ihren Gewinnen deshalb mehr ins Netz investieren und tut dies auch bereits. Sie hat das Volumen in den kommenden Jahren im Vergleich zu früher schon um Milliardensummen aufgestockt. Da wird derzeit aufgeholt, was im Vorfeld des geplanten Börsengangs
versäumt wurde.
Frage: Steht die Teilprivatisierung auch wieder auf der Tagesordnung, um neue Investitionsmittel einzusammeln?
Ramsauer: Laut Koalitionsvertrag steht entweder der Börsengang oder eine Teilverkauf an private Investoren auf der Tagesordnung, sobald sich die Kapitalmärkte in einem ergiebigen Zustand befinden. Beides gäbe frisches Geld für die Schiene. Auf den Märkten sieht es zwar wieder besser aus, aber noch nicht gut genug. Auf einen Zeitpunkt kann ich mich nicht festlegen. Wir müssen darauf achten, dass der Erlös den tatsächlichen Wert der Bahn ergibt. Noch gibt es für die Bahn viel zu tun: Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Sauberkeit – aber Bahnchef Grube arbeitet mit Hochdruck an der Qualität.
Frage: Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) aus Industrie, Forschung und Politik will bis 2013 vier Milliarden Euro in die Entwicklung von Elektroautos stecken, damit Deutschland den Anschluss an die Weltspitze herstellen kann. Wie viel der Staat beitragen soll, sagt die Wirtschaft nicht. Wie viel werden Sie dazugeben?
Ramsauer: Ich erwarte von der Autoindustrie ein starkes Engagement. Mit der Abwrackprämie haben wir mit Steuergeld die Grundlage für eine starke deutsche Autoindustrie geschaffen. Nun ist die Wirtschaft selbst gefragt.
Frage: In Rede stand auch ein Zuschuss für den Kauf von Elektroautos. Andere Länder geben Tausende Euro dazu, weil die Fahrzeuge viel zu teuer
sind. Deutschland auch bald?
Ramsauer: Im Moment gibt es dafür keinen Anlass. Ich möchte hier keinen internationalen Subventionswettlauf für E-Mobile. Davon abgesehen dürfen wir den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen. Deshalb investieren wir zunächst in die Forschung und Entwicklung zur Einführung der Elektromobilität in Deutschland.
Frage: Wann fährt die Bundesregierung mit Elektrostrom?
Ramsauer: Das tun wir teilweise bereits. Auf jeden Fall ist der CO2-Ausstoß unserer Fahrzeugflotte im Sinkflug. Die Industrie hat noch viel zu tun, damit wir 2020 eine Million Elektroautos auf der Straße haben. Die Fahrzeuge müssen attraktiv sein, vor allem aber alltagstauglich. Wir sind da auf einem guten Weg: So wie die Deutschen derzeit die besten Autos bauen, müssen wir in Zukunft auch die besten Elektroautos herstellen.