Trotz Bedarf fehlen Milliarden für die Verkehrswege / Unwirtschaftliche Bahnprojekte werden gestrichen
Viele dringend benötigte Schienenwege werden auf absehbare Zeit gestrichen oder mit Verzögerung gebaut. Dies geht aus der Überprüfung der Bedarfspläne im Bundesverkehrswegeplan hervor, die Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) jetzt vorgelegt hat. Von 38 wichtigen Schienenwegen werden nach einer Überprüfung der Wirtschaftlichkeit neun vor allem kleinere Projekte im Norden und Westen ganz gestrichen. Sie erreichen nicht die Vorgabe, dass ein investierter Euro volkswirtschaftlich mehr als einen Euro abwerfen muss. „Als Konsequenz können die neun Projekte derzeit nicht mit Bundeshaushaltsmitteln finanziert werden“, sagte der Minister.
Die anderen 29 Bauvorhaben sollen weiterhin gebaut werden. Darunter befinden sich die für den Güterverkehr so wichtigen Trassen entlang des Rheins, die Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Augsburg, die Hochgeschwindigkeitstrasse durch den Thüringer Wald oder die Schienenverbindung zwischen der niederländischen Grenze und dem Ruhrgebiet. Das sind die finanziell dicksten Brocken im Bedarfsplan. Eigentlich sollten all diese Investitionen in den kommenden 15 Jahren verwirklicht werden. Doch Preissteigerungen und leere Kassen verschieben manches Bauvorhaben wohl auf den St.Nimmerleinstag. Auf fast 26 Milliarden Euro werden die Projekte zusammengenommen veranschlagt. Im Verkehrsetat sind aber nur knapp 1,2 Milliarden Euro jährlich dafür eingeplant. „Ich habe mittel- und langfristige Finanzierungsprobleme“, räumte Ramsauer freimütig ein.
So wird in den nächsten Jahren trotz großen Bedarfs vielerorts auf Sparflamme gebaut werden. Denn das Großprojekt der ICE-Strecke von München nach Berlin und die durch internationale Verpflichtungen fertig zu stellende Güterverkehrsstrecke nach Basel genießen Priorität. In welcher Reihenfolge die weiteren Vorhaben abgearbeitet werden, ließ der Minister offen. „Wir müssen auf Sicht fahren“, kündigte der Politiker Investitionen nach Kassenlage an. Bessere Zeiten sind nicht in Sicht. Eine Ausweitung der Lkw-Maut um 2000 Kilometer Fernstraßennetz und später ein erneuter Privatisierungsversuch bei der Bahn könnten zusätzliche Mittel für die Infrastruktur einbringen.
Ein Teil des Finanzproblems geht nach Angaben des Ministers auf deutliche Kostensteigerungen bei Neubauten zurück. Seit der Bundesverkehrswegeplan 2003 verabschiedet wurde, sind die Baupreis um fast ein Drittel gestiegen. Neben den reinen Baukosten haben wachsende Sicherheits- und Lärmschutzanforderungen sowie der Einbau neuer Verkehrstechnologien für höhere Rechnungen gesorgt. Bis 2015 will das Ministerium nun einen neuen Verkehrswegeplan erarbeiten.
Ramsauer will auch kein Geld aus dem Etat für den Straßenbau in den Schienenverkehr umlenken. „Die Straße wird Hauptverkehrsträger Nummer eins bleiben“, verteidigte er diese Haltung. Die Experten der Bundesregierung erwarten auf Autobahnen und Fernstraßen in den nächsten Jahren das größte Wachstum, insbesondere bei Lkw-Transporten. Von den Bedarfsvorhaben im Straßenbau wurde keines gestrichen.
Die Opposition kritisiert Ramsauer heftig. Die SPD verlangt vom Minister eine Antwort, wie er die „richtigen und wichtigen Verkehrsprojekte finanzieren will“ und welche Prioritäten die Regierung dabei setzt. Der grüne Verkehrsexperte Anton Hofreiter wirft der Regierung vor, dass sie trotz knapper Mittel weiterhin auf prestigeträchtige Großprojekte setze. So habe das Ministerium die Wirtschaftlichkeit der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm mit einem Trick schön gerechnet, in dem die Auslastung durch unrealistische Fahrten von Güterbahnen erhöht worden sei. Den Vorwurf wies Ramsauer zurück.